YouTube Kids:
Hält die App, was sie verspricht?
Auf dem Smartphone-Monitor prangt ein neues Logo: YouTube, der weltweit wichtigste Videokanal, hat Nachwuchs bekommen! Der heißt folgerichtig YouTube Kids. Seit September 2017 ist die App für Smartphones und Tablets auch in Deutschland zugänglich.
Geboten werden unter anderem Kinderserien, Musikclips sowie Lernvideos. Also, so ist zu lesen: „YouTube ohne verstörende Inhalte“. Denn denen soll die neue App für Kinder im Vor- und Grundschulalter einen Riegel vorschieben: „Wir wollen nicht die Mediennutzung von Kindern steigern, sondern eine Umgebung schaffen, in der sich Kinder und Eltern sicher fühlen“, unterstreicht Sabine Frank, bei Google Deutschland für den Jugendschutz zuständig1 (YouTube gehört zu Google).
scout hat sich die App mal genauer angesehen und unter anderem auf jugendschutzrelevante und werberechtliche Aspekte hin geprüft.
1) Wie kindgerecht sind die Inhalte?
Die Inhalte von YouTube Kids liefert YouTube. Beim Hochladen eines Videos kann ein Nutzer dort per Häkchen eine Altersbeschränkung aktivieren. Die Clips werden dann nur Nutzern über 18 Jahren angezeigt. Aktiviert ein Nutzer die Altersbeschränkung nicht, dann gilt der Clip grundsätzlich als potenzieller Inhalt für YouTube Kids.
Diese Clips selektiert ein plattformeigener Algorithmus, unter anderem nach Schlagwörtern und Kategorien, Bewertungen, Bildern und Nutzerdaten. Automatisch wird so bewertet, welche Inhalte bei YouTube Kids angezeigt werden. Manuell, also von Menschenhand, werden allerdings nur Videos geprüft, die auf der Startseite der App auftauchen.
Google schreibt dazu in der YouTube Kids Parental-Guide Hilfe2:
Die über die Suche verfügbaren Videos und die empfohlenen Videos werden hingegen voll automatisch und ohne manuelle Überprüfung ausgewählt. Obwohl unser System optimiert und strengen Tests unterzogen wurde, ist kein Algorithmus perfekt. Selbst wenn er es wäre, könnte er die elterliche Einschätzung nicht ersetzen. Mit anderen Worten: Es kann passieren, dass dein Kind in der App auf Inhalte stößt, die es sich deiner Meinung nach nicht ansehen sollte.
Will heißen: Da kann immer mal was durchrutschen …
Kleines Beispiel: Ein Clip mit vermeintlichen Medienhelden der Kinder: Im Video geht Elsa spazieren, wird dann jedoch vom Joker verfolgt und gekidnappt. Gemeinsam mit Spiderman betoniert er ihre Füße in einen großen Blumenkübel ein. Anschließend urinieren beide auf Elsa und lachen über sie.
So geschehen und gesehen bei YouTube Kids in einem auf den ersten Blick für Kinder produzierten Clip. Solche Video-Sequenzen sind für Kinder bedenklich, wirken zum Teil verstörend. In jedem Fall sind es Inhalte, die man nicht auf einer Kinderseite finden möchte.
Google selbst ruft die Nutzer von YouTube Kids dazu auf, ungeeignete Inhalte zu melden („flaggen“) und verspricht, sie schnell zu prüfen und gegebenenfalls zu löschen.
Fazit:
Da die Clips auf YouTube Kids ausschließlich durch einen Algorithmus geprüft werden, sollten noch immer Erwachsene dabei sein, wenn Kinder die App nutzen. Das empfiehlt auch Google.
2) Was sollte man bei der Bedienung beachten?
Die App ist schon für kleine Kinder leicht bedienbar - sogar per Sprachsteuerung. So öffnet sich, ähnlich wie beim „Erwachsenen-YouTube“, eine endlose bunte Welt aus Millionen Videos.
Ein bewährtes Mittel von Internetseiten ist es, die Nutzer mit Lockfunktionen bei der Stange zu halten. Schon bei YouTube funktioniert die Vorschlag-Leiste sehr gut, ebenso die automatische Wiedergabe der nächsten Clips. Diese Automatik findet sich auch bei YouTube Kids: Bei Kinderserien geht ein Clip nahtlos in den nächsten über, ohne eine Sekunde Pause. Das Abschalten fällt dann schwer.
Tipp:
Die Fülle der Clips lässt sich beispielsweise durch das Ausschalten der Videosuche eingrenzen. Es werden dann nur noch die Videos von der Startseite angezeigt. Die Empfehlungen weiterer Videos können ebenfalls ausgestellt werden. Wer die Nutzung der App zeitlich begrenzen möchte, kann minutengenau einen Timer einstellen. Nach maximal zwei Stunden wird die App dann gesperrt.
Fazit:
Erwachsene sollten ganz besonders wachsam sein und sich mit den Einstellungen der App auseinandersetzen.
3) Wie sieht es mit der Werbung aus?
Bei YouTube Kids dauert es meist nicht lange, bis ein neues Spielzeug angepriesen wird. Immerhin: Google verspricht, auf YouTube Kids nur für Kinder geeignete und freigegebene Werbung anzuzeigen und überprüft dies auch manuell. Zudem wird offiziell gebuchte Werbung auch als solche gekennzeichnet. Allerdings können Kinder im Vorschulalter kaum zwischen normalen und Werbeinhalten unterscheiden.
Hinzu kommt das Problem der Schleichwerbung. Darunter versteht man Werbung, die nicht als solche gekennzeichnet ist. Schleichwerbung ist verboten, das gilt auch für YouTube. Darauf weist auch Google selbst hin.
Allerdings gibt es beim Thema Werbung leider eine Lücke – auf die Google ebenfalls selbst hinweist:
Es kommt häufig vor, dass Werbespots und andere Werbeinhalte von Nutzern auf ihre YouTube-Kanäle hochgeladen werden. (…). Für das Suchwort "Kekse" könnte zum Beispiel ein TV-Spot für eine Keksmarke als Suchergebnis auftauchen, der als normales Video auf einem YouTube-Nutzerkanal hochgeladen wurde. Ein solches Video gilt nicht als bezahlte Werbung und unterliegt deshalb nicht unseren Werberichtlinien (...)
Versteckte Werbung lässt sich bei YouTube Kids – wie auch bei YouTube – also nicht hundertprozentig vermeiden.
Zudem fallen schnell zahlreiche Clips, in denen Produkte wie Spielzeug, Kosmetikartikel oder Süßigkeiten „getestet“ werden, ins Auge. So findet sich beispielsweise ein Video, in dem ein kleines Mädchen vor laufender Kamera die Vor- und Nachteile von Kinderküchengeräten eines großen Herstellers präsentiert. Anderswo packt ein Junge – ganz nach dem Vorbild berühmter YouTuber - einen Spielzeug-Panzer aus und stellt seine Eigenschaften vor. Gut gemeinte und völlig uneigennützige Empfehlungen? Oder doch Werbung von und für Kinder?
Auch hier ist wieder elterliche Aufsicht angeraten: Gemeinsam mit den Kindern hinschauen!
Wer glaubt, seinen Kindern sorglos YouTube Kids überlassen und sich gelassen zurücklehnen zu können, der wird hier enttäuscht. Die App ist kein reines Jugendmedienschutz-Projekt. Eltern müssen die Vor- und Nachteile der App für sich beziehungsweise ihr Kind selbst bewerten. scout empfiehlt in jedem Fall, Kinder auch mit YouTube Kids nicht allein zu lassen.
1 www.futurezone.de
2 https://support.google.com/youtubekids/answer/6172307?hl=de&ref_topic=6130504 (Stand 17.10.2017)
3 https://support.google.com/youtubekids/answer/6130541?hl=de&ref_topic=6130504 (Stand 17.10.2017)