Was leistet Kinderschutzsoftware?
Für jedes Betriebssystem gibt es eine eigene Kinderschutzsoftware: Android, Windows, iOS, Mac OS. Doch die Qualität und die Handhabung ist sehr unterschiedlich. „Viele Laien sind damit überfordert“, hat Diplom-Pädagoge Christian Bartels herausgefunden.
Christian Bartels ist Experte der Hamburger Volkshochschule und verantwortet ein von der MA HSH gefördertes Gemeinschaftsprojekt von VHS und Hamburger Bücherhallen. Dabei informieren Mitarbeiter der VHS an Infoständen in den Hamburger Bücherhallen über Kinderschutzsoftware und geben konkrete Tipps und Hilfestellung. Seit Ende März 2016 sind die Infostände wieder unterwegs (aktuelle Termine). scout sprach mit Bartels über seine bisherigen Erfahrungen, den Sinn und die Notwendigkeit der Softwarelösungen und die Verantwortung der Eltern.
Herr Bartels, im vergangenen Jahr hat die VHS etwa 25 Mal in den Hamburger Bücherhallen über Kinderschutzsoftware informiert. Was sind die wichtigsten Fragen, die Eltern Ihnen stellen?
Christian Bartels: Eltern haben ganz typische Fragen: Wann soll mein Kind das erste Handy bekommen? Wie gehe ich damit um, wenn es an meinem Rechner etwas machen möchte? Wie kann ich verhindern, dass ein Kind unschöne Inhalte zu sehen bekommt? Wie lange dürfen Kinder vor dem Computer, dem Tablet oder der X-Box sitzen? Das Interesse der Eltern ist sehr hoch. Wenn sie in die Bücherhalle kommen und sehen: Die Hamburger Volkshochschule möchte nichts verkaufen, sondern informieren und beraten, wird schnell Kontakt aufgenommen. Viele erhoffen sich dann schnelle Hilfe zu allen möglichen Fragen. Aber wir informieren in diesem Projekt hauptsächlich über Kinderschutzsoftware.
Wissen die Eltern denn über Kinderschutzsoftware ausreichend Bescheid?
Das ist sehr unterschiedlich. Die Frage ist ja auch nicht trivial. Sie benötigen für jedes Betriebssystem eine andere Software. Da haben Eltern einen großen Beratungsbedarf. Viele wissen ja nicht einmal, was sie überhaupt für ein Betriebssystem auf dem Smartphone haben. Wenn sie dann noch die passende Schutzsoftware finden und einstellen sollen, sind viele überfordert.
Im mobilen Bereich versagen die Programme zumindest in Teilen
Heißt das im Umkehrschluss, die Schutzfunktionen sind zu versteckt oder zu kompliziert, um wirklich von jedem eingerichtet werden zu können?
Da ist sehr viel Luft nach oben. Es gibt ja von der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) anerkannte Programme, JusProg und die Telekomschutzsoftware zum Beispiel. Da kann sehr gut eingestellt werden, was Kinder zu sehen bekommen oder wie lange sie am Bildschirm sitzen sollen. Diese Kinderschutzsoftware funktioniert aber nur auf Desktop-Computern bzw. Laptops. Sobald wir in den mobilen Bereich kommen, also Smartphones und Tablets, die ja ab dem Alter von neun oder zehn Jahren für viele Kinder dazugehören, versagen die Programme zumindest in Teilen.
In Ihrem sehr gut gestalteten Flyer, den sie am Stand verteilen, und der von Ihrer Homepage heruntergeladen werden kann (PDF-Download 3 MB), sind aber Softwarelösungen für alle Betriebssysteme aufgelistet.
Es gibt diverse Apps, die auf Handys installiert werden können. Die sind aber größtenteils US-amerikanisch. Und die dortigen Vorstellungen über das, was Kinder im Internet sehen sollen, weichen von unseren zum Teil ab, zum Beispiel was Waffen angeht. Natürlich gibt es auch hiesige Apps, zum Beispiel von Vodafone. Aber all diese Apps müssen zusätzlich heruntergeladen werden, und da sind viele unerfahrene Nutzer bereits unsicher und skeptisch. Generell kann man sagen, dass Kinderschutz von den Herstellern ein bisschen stiefmütterlich behandelt wird. Es gibt übrigens ein ganz interessantes Programm für Tablets, das heißt KidsPlace. Darüber lässt sich der Desktop einstellen, also welche Apps die Kids sehen und nutzen dürfen. Das funktioniert sehr gut, wir haben das auf Android-Tablets getestet.
Eltern wünschen sich Rund-um-sorglos-Pakete, aber die gibt es nicht.
Bis zu welchem Alter macht eine Schutzsoftware überhaupt Sinn?
Schutzprogramme sind vor allem für das Kinderalter sinnvoll. Kinder nutzen heute sehr früh Medien und das Internet. Oberhalb von zwölf oder 14 Jahren ist der Zug bereits abgefahren. Wenn ich bei YouTube „Jugendschutzsoftware“ eingebe, sind unter den ersten Treffern Filme von Jugendlichen, die erklären, wie man den Schutz umgeht. Außerdem nutzen Jugendliche die sozialen Netzwerke, vor allem WhatsApp. Darüber gelangen sie an jeden Inhalt, der von anderen geteilt wird.
Wie sicher ist der Schutz für die Kinder, wenn ich eine solche Software einsetze? Was leisten die Programme?
Eltern wünschen sich Rund-um-sorglos-Pakete, aber die gibt es nicht. Sehr wichtig ist die Funktion der Zeitbeschränkung bei Kinderschutzsoftware. Damit kann eingestellt werden, wie lange das Kind surfen darf. Das unterstützt viele Eltern bei innerfamiliären Auseinandersetzungen über die Internetnutzung. Darüber hinaus gibt es verschiedene Filterfunktionen. Am sichersten ist die sogenannte Whitelist. Damit werden nur bestimmte, kindgerechte Seiten zugelassen, zum Beispiel fragfinn.de. Ich sage in jedem Beratungsgespräch den Eltern immer wieder: So eine Software kann zwar unterstützen, aber sie ersetzt nicht die Erziehungsaufgabe. Niemand kommt darum herum, mit den Kindern zu verhandeln und darüber zu reden, was sie mit den Geräten und im Netz machen dürfen. Das kann keine Software leisten.
Christian Bartels (47) ist seit 15 Jahren an der Hamburger Volkshochschule in unterschiedlichen Bereichen tätig. Der Diplom-Pädagoge hat zum Beispiel die EDV-Kurse geplant. Derzeit verantwortet er die Junge Volkshochschule für Schülerinnen und Schüler und entwickelt neue Projekte und Auftragsmaßnahmen.