Smartwatches für Kinder: Vertrauen ist gut. Ist Kontrolle besser?
Ein Artikel von Nina Soppa
Es war nur eine Frage der Zeit: Ähnlich wie das Smartphone gehören mittlerweile auch Smartwatches zum digitalen Alltag. Mama checkt über die Uhr WhatsApp-Nachrichten, Papa seine Mails und Oma ihren Puls – so könnte man die Smartwatch-Familie beschreiben. Und die Kinder? Die smarten Uhren haben es natürlich längst auch bis an ihre Handgelenke geschafft. scout checkt die Vor- und die Nachteile von Smartwatches für Kinder.
Der Smartwatch-Markt für Kinder: Auswahl wie bei den Erwachsenen
Die Hersteller von „Smartuhren“ haben Kinder schon früh als eigene Zielgruppe erkannt. Vom namhaften Elektronik-Hersteller bis hin zum Discounter – mittlerweile gibt es fast überall speziell für Kinder im Alter von 5 bis 12 Jahren entwickelte Modelle. Das Angebot lässt kaum zu wünschen übrig: Ob mit kindlichem Medienhelden-Branding oder im schlichten Erwachsenen-Stil, mit Kamerafunktion, integriertem Schrittzähler oder digitalen Spielen – es ist alles dabei.
Das spricht für eine Kinder-Smartwatch:
Spätestens zum Ende der Grundschulzeit wünschen sich viele Kinder ein eigenes Smartphone. Viele Eltern tun sich jedoch schwer damit, ihnen diesen Wunsch zu erfüllen - zu groß erscheinen die Risiken. Insbesondere durch den ungehinderten Zugang zum Internet.
Der Kauf einer Smartwatch kann da ein Zwischenschritt sein. Die Uhren verfügen nur über eine beschränkte Zahl von Funktionen, erfüllen aber trotzdem wichtige Nutzungsbedürfnisse der Kinder: Neben den üblichen Funktionen einer Armbanduhr kommen einige Smartwatches auch mit Foto- und Videokamera, einer Auswahl an digitalen Spielen, Bewegungs-Challenges oder einer integrierten Taschenlampe. Darüber hinaus können Kinder über die Uhr mit Freunden und der Familie telefonieren und – zumindest bei den meisten Modellen - auch Sprach- und Textnachrichten austauschen. So können Eltern ihre Kinder langsam an die vielen Funktionen der digitalen Alleskönner, der Smartphones, heranführen.
Wichtig ist, dass Eltern ihre Kinder bei der Nutzung der Geräte begleiten und ihnen die Funktionen und die damit möglicherweise verbundenen Risiken erklären. Klare Regeln im Umgang mit Smartwatch, Smartphone & Co. sind ebenso wichtig. Dazu gehört es zum Beispiel, die Uhr während des Schulunterrichts auszuschalten oder nur mit bekannten Personen zu kommunizieren.
Insbesondere besorgten Eltern kommen Kinder-Smartwatches sehr gelegen. Über GPS-Tracking können sie verfolgen, wo sich ihre Kleinen gerade aufhalten. Werden Wege, zum Beispiel zur Schule, zum ersten Mal alleine beschritten, können die Eltern über das Tracking einsehen, ob sich ihr Kind auf dem richtigen Weg befindet und gut angekommen ist. Einige Uhren verfügen über einen SOS-Knopf, mit dem die Kinder in Gefahrensituationen einen Notruf an die Eltern oder einen anderen zuvor festgelegten Kontakt absetzen können.
Das spricht gegen eine Kinder-Smartwatch:
Eltern können ihre Kinder jederzeit kontaktieren und sogar herausfinden, wo sie sich aufhalten. Viele Smartwatches übertragen den Standort des Kindes in Echtzeit, auf wenige Meter genau. Ist ein „Geo-Zaun“, also ein zuvor definierter Bewegungsbereich eingerichtet, erhalten Eltern bei einer „Grenzüberschreitung“ zudem eine Benachrichtigung und können das Kind umgehend kontaktieren. Auch im Nachhinein können Eltern über einen „historischen Routenverlauf“ noch bis zu dreißig Tage zurück die Wege des Kindes verfolgen. Big Mama is (always) watching you.
Noch weiter geht die Abhörfunktion. Über eine App kann die Uhr so programmiert werden, dass sie per Anruf die Gespräche in ihrer näheren Umgebung an einen festgelegten Kontakt überträgt. Wohlgemerkt: Unbemerkt vom Träger der Smartwatch! Einige Eltern sollen diese Funktion genutzt haben, um Lehrer im Unterricht abzuhören und den Unterricht zu kontrollieren. Der Besitz und Verkauf solcher „unerlaubten Sendeanlagen“ wurde 2017 durch die Bundesnetzagentur verboten. Sie beruft sich auf § 90 des Telekommunikationsgesetztes, wonach Geräte, die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet beziehungsweise bedeckt sind und somit unbemerkte Aufnahmen ermöglichen, verboten sind.
Wie Schulen mit Smartwatches umgehen, hängt von den jeweiligen Regelungen in den Bundesländern oder den einzelnen Schulkonzepten ab. In Schleswig-Holstein beispielsweise sind Smartwatches nach Auffassung des Bildungsministeriums grundsätzlich mit Smartphones gleichzusetzen - auch wenn sie nicht über eine Mithörfunktion verfügen. Schulen können hier also über ihre Schulordnungen entsprechende Nutzungsverbote aussprechen und schulrechtliche Regelungen treffen.
Beim Tracking verarbeiten Smartwatches im großen Umfang personenbezogene Daten. Tests wie der der norwegischen Verbraucherschutzzentrale (LINK) haben erhebliche Sicherheitslücken bei der Datenverarbeitung festgestellt. Viele Geräte leiten die gesammelten Informationen an mehrere Server weiter. Wer diese Daten letztendlich erhält und wie sie verarbeitet oder gespeichert werden, ist nicht immer ersichtlich.
Teilweise war es auch Dritten möglich, mit einfachen Mitteln die Kontrolle über die jeweilige Uhr zu erlangen und so mit dem Kind zu kommunizieren, es zu belauschen und seine Standortdaten abzugreifen oder zu manipulieren. Manche Uhren verfügen also über ein erhebliches Gefährdungs- und Missbrauchspotenzial, das Eltern kaum in vollem Umfang abschätzen können.
Smartwatches werden zunehmend auch als Sportuhren verwendet. Herzfrequenz und Puls können gemessen, Bewegungen aufgezeichnet oder der Kalorienverbrauch überprüft werden. Die meisten Kinder-Smartwatches verfügen (noch) nicht über solche Funktionen. Anders, wenn Kinder abgelegte Uhren der Eltern nutzen, dann stehen ihnen diese Funktionen natürlich auch zur Verfügung. Daneben hat sich bereits ein eigener Markt für digitale Fitnessbänder für Kinder etabliert.
In beiden Fällen ist zu bedenken: Kinder befinden sich im Wachstum! Das ständige Überprüfen ihrer Fitness oder ihres Kalorienverbrauchs kann fatale Auswirkungen auf ihre gesunde Entwicklung haben. Insbesondere Mädchen haben in der Pubertät oftmals ein problematisches Verhältnis zu ihrem Körper und fühlen sich zu dick oder nicht schön genug. Die ständige Überprüfung ihres Kalorienhaushalts kann dazu führen, dass sie sich zu sehr von der Technik beeinflussen lassen und verlernen, ihrem eigenen Körper- und Bauchgefühl zu vertrauen.
Quellen und weiterführende Links:
Online-Serie "Smarte Kindheit"