Knigge – damals wie heute
1788 verfasste Adolph Freiherr Knigge sein Werk „Über den Umgang mit Menschen“. Viele seiner Regeln haben bis heute gehalten und gelten auch für die Kommunikation von Kindern und Jugendlichen im Netz. Ein Verhaltenskodex von anno dazumal für das World Wide Web.
So steht’s geschrieben:
„… setze Dich immer in Gedanken in andrer Leute Stelle!“
Was bedeutet das für die Etikette im Netz:
Auch wenn sie ihn nicht sehen können, auch wenn sie ihn nicht anfassen können, erklären Sie Ihren Kindern: Auf der anderen Seite des Netzes sitzt keine Maschine, sondern ein Mensch. Sie sollten so mit ihm kommunizieren, als würden sie ihm im Beisein eines Erwachsenen gegenüberstehen.
So steht’s geschrieben:
„Wende einige größere Aufmerksamkeit auf Deinen Aufzug, wenn du in der großen Welt erscheinen willst!“
Was bedeutet das für die Etikette im Netz:
Wenn Ihre Kinder skypen, für das Gegenüber also zu sehen sind, dann geben sie dem Skype-Partner damit auch einen kleinen Einblick in ihre Privatsphäre. Machen Sie ihnen klar: Im Zweifel sieht er die schmutzige Wäsche im Hintergrund oder das Justin-Bieber-Poster über dem Bett.
So steht’s geschrieben:
„Die Hauptsache kömmt immer darauf an, leicht in den fremden Ton mit einzustimmen und nichts auskramen, nichts gelten machen zu wollen, was da nicht verstanden oder -nicht geschätzt wird.“
Was bedeutet das für die Etikette im Netz:
Duzen oder siezen im Chat? Hier sind die Umgangsformen durchaus etwas lockerer als im realen Leben. Siezen kann auch als abweisende Distanz gewertet werden. Ihre Kinder sollten bestenfalls den Umgangston in einem Chat kurz beobachten, bevor sie sich in die Unterhaltung einklinken.
So steht’s geschrieben:
„Habe stets ein gutes Gewissen!“
Was bedeutet das für die Etikette im Netz:
Das Gesetz gilt auch im Netz. Man darf keine verbotenen Bilder, Filme oder Lieder posten, und man muss sich ans Urheberrecht halten. Dieses bildet die Grundlage jeder kreativen Arbeit. Bei Inhalten im Internet ist es genauso wie bei Artikeln, Fotos und sonstigen Werken in Zeitungen beziehungsweise im Radio oder Fernsehen: Einfach kopieren und auf die eigene Seite stellen ist nicht erlaubt. Geistiges Eigentum ist zu respektieren. Erklären Sie Ihren Kindern, dass es sich hier wie im realen Leben verhält: Im Buchladen dürfen die Bücher auch nicht einfach mitgenommen werden.
So steht’s geschrieben:
„Vorsichtigkeit ist im Schreiben noch weit dringlicher als im Reden zu empfehlen (…) Man sollte es kaum glauben, was für Verdruß, Zwist und Mißverständniss durch Versäumnis dieser Klugheitsregel entstehn können. Ein einziges hingeschriebenes, unauslöschliches Wort (…) hat manches Menschen Ruhe und oft auf immer den Frieden einer Familie zerstört. Brief-Klatschereien, voreilig schriftlich mitgeteilte, nicht gegründete Nachrichten, können unendlichen Schaden stiften, den redlichen Mann bei tausenden verdächtig machen.“
Was bedeutet das für die Etikette im Netz:
Das Internet vergisst nicht. Weisen Sie Ihre Kinder darauf hin, dass sie ihre Beiträge in Ruhe verfassen und die Sätze jeweils noch einmal aufmerksam durchlesen sollten. Auch wenn es -sehr nach 1788 klingt: Es hilft, einen Text noch mal auf, na ja, Papier zu lesen. Ist das Geschriebene im Netz, ist es oft unmöglich, es auszubessern oder zu löschen.
So steht’s geschrieben:
„Suche nie, jemand lächerlich zu machen!“
Was bedeutet das für die Etikette im Netz:
Sprechen Sie mit Ihren Kindern darüber, dass sie die Privatsphäre ihrer Mitmenschen akzeptieren müssen. Zum Beispiel sollten sie stets um Erlaubnis bitten, bevor sie ein Bild von -jemandem im Netz veröffentlichen.
So steht’s geschrieben:
„Suche Gegenwart des Geistes zu haben!“
Was bedeutet das für die Etikette im Netz:
Bei offiziellen E-Mails gelten die Rechtschreibregeln. Die praktische Kleinschreibung sollten Ihre Kinder, wenn überhaupt, nur für den privaten Gebrauch verwenden. Sie sollten auch nicht in Großbuchstaben schreiben. Denn: Im realen Leben würde man seine Mitmenschen auch nicht anschreien.
So steht’s geschrieben:
„Vermeide Zweideutigkeiten!“
Was bedeutet das für die Etikette im Netz:
Ironie hat in offiziellen Mails ebenso wenig zu suchen wie Smileys und Emoticons, die auf Ironie hinweisen. In privaten Mails können die lustigen Gesichter den nicht sichtbaren -Gesichtsausdruck des virtuellen Gegenübers durchaus ersetzen. Machen -Sie Ihre Kinder auf den Unterschied aufmerksam.
So steht’s geschrieben:
„Strebe nach Vollkommenheit, aber nicht nach dem Scheine der Vollkommenheit!“
Was bedeutet das für die Etikette im Netz:
Ihr Sohn oder Ihre Tochter hat 5.000 Freunde bei Facebook? –
Das sagt nichts über tatsächliche Freundschaften aus, sondern zeigt vielmehr, wie oberflächlich der Freundschaftsbegriff in Sozialen Medien interpretiert werden kann. Vermitteln Sie Ihren Kindern, dass es für echte Freundschaften mehr braucht als einen Mausklick und dass man Facebook-Freunden nicht alles auf die Nase bindet.
So steht’s geschrieben:
„Nimm nicht Teil an fremdem Spotte!“
Was bedeutet das für die Etikette im Netz:
In manchen User-Foren oder Chatrooms wird anonym geschimpft, beschimpft und verspottet. Vermitteln Sie Ihren Kindern, sich nicht auf dieses Niveau herabzulassen, sondern sachlich zu bleiben.
Dieser Artikel ist in der scout-Ausgabe 2_2013 erschienen.