Jugendschutz: Die Wirkungsmacht im Blick
Wie werden Alterslabel „gemacht“? Ein scout-Gespräch mit Uwe Engelhard und Marek Brunner von der USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle, Berlin) darüber, wie Alterslabel die Kinderseele schützen sollen. Die USK ist in Deutschland zuständig für die Altersfreigabe von Computer- und Videospielen.
Was sagen die USK-Label für Computerspiele eigentlich genau aus?
Uwe Engelhard: Im Mittelpunkt steht für uns die Frage, ob und wie der Inhalt eines Computerspiels dazu führen kann, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen‘ – genauso ist es im Jugendschutzgesetz formuliert.
Unsere USK-Alterskennzeichen wirken als gesetzliche Altersfreigabebeschränkung für Computerspiele auf „Trägermedien“. Also im weitesten Sinne für „verpackte“ Computerspiele. Sie sind auch als sogenannte ‚Abgabebeschränkung‘ für den Handel bindend – wie beim Verkauf von Alkohol und Zigaretten. Die USK-Label sind aber keine pädagogische Empfehlung.
Von welchen Beeinträchtigungen sprechen wir genau?
Uwe Engelhard: Beispielsweise von einer nachhaltigen Ängstigung, die zu Albträumen bei Kindern führen kann. Oder von einer Desensibilisierung gegenüber Gewalthandlungen und Gewaltdarstellungen, durch häufiges Spielen von Games mit hohem Gewaltgrad.
Und wer prüft die Computerspiele?
Uwe Engelhard: Im Regelverfahren ist das ein Gremium aus vier unabhängigen Jugendschutz-Sachverständigen und einem staatlichen Vertreter. Diese lassen sich die Games von erfahrenen Testern vorspielen und detailliert erklären. Die Testspieler sind meist selbst Gamer und kennen sich bestens aus.
Auf dieser Grundlage spricht das Gremium dann seine Empfehlung für die Alterseinstufung aus. Der staatliche Vertreter der Landesjugendbehörden, der ebenfalls mit dabei ist, übernimmt diese Empfehlung in aller Regel.
Welche Kriterien werden da unter die Lupe genommen?
Uwe Engelhard: Die Diskussion über die Altersfreigabe führen wir entlang eines Kriterienkatalog mit derzeit 15 Aspekten der sogenannten ‚Wirkungsmacht‘. Neben klassischen Jugendschutzthemen – wie der Darstellung von Gewalt, Sex und Drogen – betrachten wir auch Aspekte, die spezifisch für Computerspiele sind. Zum Beispiel das Belohnungssystem, das einem Spiel zugrunde liegt. Oder der vom Spiel erzeugte und vom Hersteller ja so gewollte hohe Handlungsdruck, der Kinder so stark unter Stress setzen kann, dass ihre Entwicklung nachhaltig darunter leidet!
Was haben Eltern von den USK-Labels?
Uwe Engelhard: Viele Eltern haben von den Spielen, die sich ihre Kinder wünschen, noch nie etwas gehört. Und demnach auch keinerlei Vorstellung vom Inhalt. Das gesetzliche USK-Alterskennzeichen ist nun eine Richtlinie für Eltern, welche Spiele für ihre Kinder auf jeden Fall unbedenklich sind. Außerdem sind die Label für Eltern auch eine gute Entscheidungshilfe um „Nein“ zu sagen – also ein griffiges Argument gegenüber ihren Kindern.
Kann man sich über USK-Freigaben auch beschweren?
Uwe Engelhard: Ja, wir bekommen auch regelmäßig kritische Rückmeldungen zu der einen oder anderen Freigabe. Diese beantworten wir immer mit einer Begründung der Freigabe auf der Grundlage der Expertise unserer unabhängigen Jugendschutz-Sachverständigen.
Das alles gilt jetzt für „Boxed Games“, also verpackte Spiele. Wie funktioniert die Vergabe von Freigaben für Online-Games?
Uwe Engelhard: Da fragen Sie bitte meinen Kollegen Marek Brunner, der für die hier gültigen „IARC“-Verfahren der „International Age Rating Coalition zuständig“ bei der USK zuständig ist.
Herr Brunner, wie also funktioniert die Vergabe von Freigaben für Online-Games?
Marek Brunner: Das für Online-Spiele und Apps geltende Verfahren wurde von der International Age Rating Coalition (IARC) aufgesetzt, als Selbstklassifizierung der Anbieter, die dafür einen umfangreichen Online-Fragenbogen ausfüllen müssen. Die IARC ist ein Zusammenschluss verschiedener Jugendschutz-Institutionen weltweit. Die USA, Europa, Brasilien, Südkorea, Australien sind bereits mit im Boot, weitere Regionen folgen. Angeschlossen sind Spiele- und App-Anbieter wie Nintendo, Google, Sony, Microsoft oder Oculus, jedes Jahr werden es mehr.
Und wie geht das genau?
Marek Brunner: Jeder Entwickler füllt online einen Fragebogen aus, der mittlerweile in über 100 Sprachen verfügbar ist. In dem Bogen werden Fragen zu Gewalt, Sprache, sexueller Darstellung, In-App-Käufen, Chat-Möglichkeiten und mehr gestellt.
Die resultierenden Ergebnisse sind nicht weltweit gleich, sondern richten sich nach der speziellen lokalen „Matrix“, die in jeder Region ihre eigenen kulturell gewachsenenen Ansprüche stellt. So entscheidet die USK, basierend auf der Spruchpraxis und den Gutachten der letzten 25 Jahre, wie stark sich welcher der obengenannten Faktoren in der Kennzeichnung eben für Deutschland niederschlägt.
Sind das dann sehr viele Einstufungen, schließlich ist der Markt von Online-Spielen und Apps sehr schnellebig?
Marek Brunner: Genau, auf diese Weise entstehen jeden Tag weltweit buchstäblich tausende automatisch generierter Kennzeichen, die dennoch sozusagen die „DNA“ der USK-Gremien in sich tragen. Wir sehen das Verfahren daher als sehr verlässlich an.
Es geht auch über die reine Alterskennzeichnung hinaus: In den angeschlossenen Stores wird auch über andere Inhaltsrisiken und weitere Elemente der Spiele informiert: „Gewalt“, „Nutzerinteraktion“, „Ängstigende Inhalte“ sind zum Beispiel einige der angezeigten Indikatoren, die Eltern helfen sollen, die richtige Spiel-Entscheidung für ihre Kinder zu treffen.
Wie reagiert die USK, wenn es zu IARC-Einstufungen Beschwerden geben sollte? Oder wenn sich eine Selbsteinschätzung als falsch herausstellen sollte?
Marek Brunner: Die USK arbeitet mit einen eigenen IARC-Team daran, falsch ausgefüllte Fragebögen zu entdecken und zu ändern. Wir gehen allen Beschwerden nach, überprüfen die Apps und ändern gegebenenfalls den Fragebogen. In jedem Fall erklären wir aber per Mail, wie wir zu der Einstufung kamen und auf welchen Vorentscheidungen sie beruht.