„Im ersten Klassenchat ging es richtig ab!“
Mina F. (20 Jahre) fragt sich: Wohin mit der ganzen Inspiration auf Instagram?
„Töröööö! Mit zu meinen schönsten Kindheits-Medienerinnerungen zählt das Hören von Benjamin Blümchen und Bibi&Tina. Die hatte mein Vater auf dem MP3-Player. CDs gab es auch, die haben wir oft auf längeren Autofahrten gehört. Bei meiner Mutter habe ich eher ferngesehen, der Apparat wurde aber für bestimmte Sendungen ein- und danach gleich wieder ausgeschaltet.
Ab der Grundschule durfte ich sonntagmorgens Spiele vom Sandmännchen auf dem Laptop meines Vaters spielen (eines davon spiele ich heute noch manchmal). Später durfte ich das Gerät mit auf mein Zimmer nehmen. Ich wusste aber, dass man im Verlauf nachvollziehen konnte, was ich angesehen hatte. Das war einmal sehr peinlich, ich war auf einer Seite mit „Justin Bieber nackt“ gelandet (wie ich da wohl hinkam?). Ich habe meinen Vater gerufen und ‚gebeichtet‘. Er hat einfach den Verlauf gelöscht und ein Witzchen gemacht.
Meine Eltern waren beide nicht sonderlich streng. Sie haben nur deutlich gesagt, was sie doof finden und was gar nicht geht: ‚Germanys next Top Model‘ zum Beispiel hat meine Mutter verboten: ‚Da werden Frauen nur auf ihr Aussehen reduziert, das finde ich zum Kotzen.‘ Das fand ich wenig später dann auch.
Als ich dann auf Facebook unterwegs war und meine eigene Mailadresse besaß (ohne Klarnamen!), hatten meine Eltern noch eine ganze Zeit lang die Passwörter. Ich weiß nicht, ob sie jemals reingeschaut haben. Mich hat das auf jeden Fall davon abgehalten, größeren Unsinn zu machen. Im Nachhinein sehe ich, dass auf diese Weise mein Konsum insgesamt schon sehr gefiltert war. Nur einmal habe ich einen verstörenden Inhalt zu sehen bekommen – beim Fernsehen bei einer Freundin, ein Krimi mit einer Vergewaltigung. Da konnte ich dann viele Monate nicht mehr gut schlafen.
Mit dem ersten Handy und dem Klassenchat ging es dann ganz schön ab. Das ist mengenmäßig und inhaltlich eigentlich immer eskaliert, das war ein ständiges Hintergrundrauschen. Anfangs wurde das von einem Lehrer kontrolliert, dann nicht mehr. Ein Prozent war relevant, der Rest Quatsch oder Pöbelei. Und meistens ‚Jungssache‘. Da hat man dann auch nicht mehr richtig hingeschaut.
Mit Instagram hat sich noch einmal alles geändert. Das bietet so viel Kommunikation und Inspiration. Manchmal frage ich mich, ob das nicht auch die Zeit frisst, um solche Inspirationen dann umzusetzen. Eigentlich hadern damit alle: Du denkst, die haben alle so ein geiles Leben, sehen so gut aus. Es machen aber auch alle mit. An schlechten Tagen deprimiert mich das. Erwachsen werden ist sowieso eine schwierige Zeit, Instagram macht das definitiv nicht leichter. Da das richtige Maß zu finden ist ein ständiger Kampf. Denn hier findet viel Leben statt: Neue Songs meiner Lieblings-Musiker gibt es zuerst hier zu hören, hier treffe ich meine Freunde, obwohl sie in Leipzig, Rotterdam und sonst wo wohnen.
Manchmal empfinde ich es wie eine Sucht. Darauf haben mich meine Eltern definitiv nicht vorbereitet. Weil sie es nicht verstehen, weil sie selbst nicht so aufgewachsen sind. Was sie richtig gemacht haben in meinen Augen: viel geredet, viel diskutiert, klargemacht, warum sie was nicht gut finden. Das werde ich sicher selbst übernehmen, wenn ich einmal Kinder habe. Die kriegen ihr Smartphone, so spät es eben geht: Mich schockiert es total zu sehen, wie viel und wie früh Kinder heute digital unterwegs sind. Anderseits: Ich bin gerade als Au-pair in England, meine Jungs fahren total auf eine Zahnputz-App ab, bei der es darum geht, Bakterien zu killen. Im nächsten Level schrubben die sich das Zahnfleisch weg … Wenn ich das sehe, denke ich wiederum: Vielleicht ist es ja doch nicht so schlecht …“