"Zum Thema machen" statt "ein Drama machen"
Ein Gespräch mit Jörg Panten. Der Erzieher und Familienberater arbeitet für den Verein „Südstormarner Vereinigung für Sozialarbeit e.V.“ in Reinbek.
Laut der Studie „EU Kids online“ schätzen Eltern und Jugendliche Risiken insbesondere in den Sozialen Medien regelmäßig sehr unterschiedlich ein. Liegt das ganz einfach „in der Natur der Dinge“ – weil Kinder und Jugendliche ohnehin Risiken noch nicht so gut einschätzen können?
Das liegt sicher auch an der Hirnentwicklung, die noch durch die gesamte Jugendzeit hindurch im Gange ist und erst in den jungen Erwachsenenjahren abgeschlossen ist. ‚Vernünftig sein, Dinge abwägen‘ – das zählt nicht zu den Kernkompetenzen von Heranwachsenden. Die ‚Partyzone‘ im Gehirn ist hingegen früh entwickelt. Deshalb sollten Eltern auch nicht überrascht sein, wenn ihre Kinder Risiken unterschätzen. Oder erst gar nicht wahrnehmen.
Und natürlich sind Sorgen bei Eltern ‚einprogrammiert‘. Sie haben da die ganz großen Ängste, zum Beispiel, dass ihre Kinder missbraucht werden könnten. Das schießt dann aber gerne mal übers Ziel hinaus. Es werden ja auch nicht gleich alle heroinabhängig, wenn irgendwo ein Cannabistütchen herumliegt. Dafür sollten Eltern sich gerne mehr Gedanken über Alkoholkonsum machen, der in der Breite akzeptierter ist, aber alles andere als unbedenklich ist.
Kann man die Aufforderung „Nun übertreibt mal nicht!“ auf Soziale Medien übertragen?
Ich finde schon. Es ist doch klar, dass Jugendliche neue Kontakte auch über die Sozialen Medien knüpfen – dort, wo sie viel Zeit verbringen. Das grundsätzlich in Frage zu stellen, ist sehr hochgehängt. Und natürlich schauen sich Jugendliche auch mal Pornos an. Ich finde auf lange Sicht andere Themen aber eigentlich viel drängender und auch ‚riskanter‘: Wie erkennt man zum Beispiel ‚Fake News‘, die sehr viel Schaden anrichten können?
Wie sehen Sie die Rolle der Eltern?
Eltern müssen nach vorne treten und Regeln aufstellen. Meine Erfahrung ist: Viele können das nicht. Damit fängt es aber an. Dann kommt der Austausch, und der ist immens wichtig: Eltern müssen sich interessieren, echt und nicht aufgesetzt. Thematisieren, nicht dramatisieren. Im Gespräch können sie dann den Kindern auch ihre Sorgen vermitteln. Die nehmen echte Bedenken ihrer Eltern nämlich sehr wohl ernst, wenn diese offen und ehrlich vorgetragen werden. Eine enge Verbindung zueinander führt auch dazu, dass Kinder mit ihren Problemen zu den Eltern kommen. Auch wenn sie Mist gebaut haben. Dann ist es besonders wichtig, dass Eltern nicht gleich Sanktionen verhängen!
Was sollten Eltern selbst tun, um die Online-Risiken ihrer Kinder richtig einschätzen zu können?
Sich bei den Kindern erkundigen, wo sie im Netz unterwegs sind, auf welchen Plattformen sie kommunizieren. Eltern müssen sich auch selbst schlau machen, was gerade läuft, was schiefgehen kann. Sie sollten im Netz recherchieren, zu Elternabenden kommen. Denn Medienkompetenz ist Teil der Erziehung! Es gibt Eltern, die sich engagieren und das umzusetzen versuchen – quer durch alle Milieus. Und dann gibt es auch solche, die alles geschehen lassen und sich für nichts interessieren. Die kommen nach meiner Erfahrung leider auch nicht zu Infoabenden. Das finde ich erschreckend.