Würde Schiller "Fortnite" spielen?

“Der Mensch (…) ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Friedrich Schiller schrieb diesen Satz 1795 in den Briefen “über die ästhetische Erziehung”. War Schiller etwa ein “Gamer”?


Was Schiller meinte: Menschen sind erst dann frei, wenn sie ohne Zwang und ohne alleinige Steuerung durch den Verstand leben. Und genau beim Spiele sei der Mensch frei, "in der glücklichen Mitte zwischen Gesetz und Bedürfnis". Über Sinn und Zweck des Spiels haben, wie der große Dichter, schon viele kluge Menschen nachgedacht. So wurde das zweckfreie Kinderspiel mal gelobt, dann wieder als “nutzlose Kinderei” kritisiert. Spiele selbst waren immer auch ein Spiegel der Gesellschaft.

Mehr als 200 Jahre nach Schiller steht das Spiel wieder im kritischen Fokus. Es geht dabei um digitale Spiele, die seit 2008 in Deutschland offiziell zum Kulturgut zählen. Und in letzter Zeit vor allem um ein Spiel: “Fortnite”. Das 2017 erschienene Game wurde im vergangenen Jahr in Rekordzeit zur Nummer eins bei Jugendlichen. Es bricht seither beständig weitere Rekorde. Weltweit sind mehr als 125 Millionen Menschen für diesen „Survival-Shooter“ online. Es ist also nicht überraschend, dass „Fortnite“ seit Monaten ein viel diskutiertes Thema auf El-ernabenden in Schulen und sogar schon in Kitas ist.

Noch vor einigen Jahren wäre die Frage nach den Wirkungen der Gewaltdarstellungen zentral gewesen. Heute leiden Eltern vor allem unter der Spieldauer ihrer Kinder. Die Eltern fragen sich: Wie kann ich die endlosen Spielschleifen meines Kindes in den Griff bekommen? Es gibt doch auch noch Schulaufgaben, Fußball und Abendessen! Offen sind die Fragen, wie sie Computerspielen familienfreundlich gestalten und Spielsucht verhindern können.

Illustration: Thies Schwarz

Der rechtliche Jugendmedienschutz in Deutschland gilt als streng und vorbildlich. Doch bei Online-Games können Eltern sich nicht darauf verlassen. Der ursprüngliche „Fortnite“-Modus „Rette die Welt“ hat eine USK*-Freigabe ab zwölf Jahren − das Spiel darf also an Zwölfjährige verkauft werden. Der”härtere” und kostenlose Online-Spielmodus “Battle Royale” hat jedoch keine Altersfreigabe. Die USK sagt von sich selbst, sie sei bei Online-Spielen in Sachen Altersfreigaben nicht zuständig. Denn bei Online- Spielen vergibt die USK keine Altersfreigaben, sondern lediglich Altersempfehlun nach dem internationalen IARC-VErfahren*. Hier besteht ein Regelungs-Vakuum.

Erleben wir nun aktuell, wie viel beschworen, die massenhafte Aufgabe elterlicher Medienerziehung (weil viele Eltern vor „Fortnite“ und Co. kapitulieren) und die Auflösung des rechtlichen Jugendmedienschutzes (weil der sich bei Online-Spielen nicht zuständig fühlt)? Möglicherweise wiederholt sich derzeit bei Computerspielen aber nur das Phänomen, dass Eltern und Jugendschützer auf erfolgreiche neue Medien erst einmal ablehnend und verständnislos reagieren.

Sicher ist: Digitale wie analoge Spiele machen Spaß, entspannen und unterhalten. Diese positiven Seiten verkehren sich aber ins Gegenteil, wenn es nicht gelingt, auch kritisch mit problematischen Nebenwirkungen solcher Spielprodukte umzugehen.

Wir brauchen, da hat Schiller recht, das Spiel. Aber bitte in Grenzen − und dafür sind in den Familien noch immer die Eltern zuständig! Auch mal „nein“ zu sagen und dabei zu bleiben ist nicht schlimm, sondern elterliche Aufgabe.

*Mehr zu den Labels der USK und zum IARC-Verfahren hier [Link zur Infografik]


Dieser Artikel stammt aus dem scout-Heft 1/2019: "Die wollen doch nur spielen!"

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