Kinder und Onlinewerbung

Statt "Kauf mich!" heißt es nun "Folge mir!"

Illustration: Kati Szilágyi

Kinder und Jugendliche sind eine wichtige Zielgruppe von Onlinewerbung. Und werden mit raffinierten Wirkweisen angesprochen, die für sie oft nur schwer zu durchschauen sind.

Letztens am Bahnhof Altona: Eine Gruppe Viertklässler kommt von der Ottenser Innenstadt, bewegt sich in Richtung S-Bahn. Zu Fuß, auf Rollern, mit Ranzen auf dem Rücken. Da schreit einer: „Das ist ein YouTuber“ und deutet auf einen rund 15-jährigen Jungen, der ein paar Meter weiter mit erstarrter Gelfrisur und sehr gepflegtem Äußeren steht. Sekunden später liegen sechs Ranzen und zwei Tretroller im Staub.

Der Nachwuchs huldigt Helden, von denen die Eltern oft noch nichts gehört haben. Und die komische Namen tragen wie Dner, Bibi oder die Lochis. Ein Großteil der Schulkinder und Jugendlichen entspannt sich vor Filmen, Clips und Fotos und bewundert dabei seine Stars und Vorbilder auf YouTube, Snapchat oder Instagram.

„Influencer“, Beeinflusser, heißen diese neuen Helden. Eltern erleben den Nachwuchs infiziert. Mit neuen Ideen: sich mit einem Eimer voller Eiswasser zu übergießen und dabei zu filmen. Oder mit seltsamen Konsumwünschen: Mia packt auf einmal voller Enthusiasmus Chia-Samen und Grünkohl in den Einkaufskorb. Finn hingegen, der sich bislang nur für Minecraft und nichts anderes interessierte, wünscht sich sehnlichst eine 600 Euro teure Digitalkamera.

Diese Gruppe will ständig in Entscheidungen mit hineinreden. Dass Gleichaltrige Einfluss haben, kennen Eltern. Dass Mitglieder dieser sogenannten Peer Group aber in Berlin-Kreuzberg oder gar Los Angeles leben, ist neu.

Sie empfehlen: Mode, Nahrungsergänzungsmittel, Unterhaltungselektronik. Sie haben Millionen junger Follower, die etwas vom Lebensgefühl und dem „Fame“ ihrer Idole erkaufen wollen.

Werbung gibt es nicht erst seit gestern. Diese Spielart aber ist besonders raffiniert. Sie setzt in ganz neuem Maße auf positive Werte wie Gemeinschaft und Freundschaft und sagt nicht länger: „Kaufe mich!“, sondern „Folge mir!“ Und nutzt dabei die angebliche Authentizität der Influencer als Trumpf. Die Meinungsmacher versorgen ihre Follower über Instagram und Snapchat mit konsumträchtigen Infos: Das trage ich – es würde dir auch stehen!

Laut einer Studie des Digitalbranchen-Verbands „Bitkom“ bauen insbesondere Kinder und Jugendliche auf die Botschaften des Empfehlungs-Marketings. Die empfinden sie – im Gegensatz zu ihren Eltern – als besonders glaubwürdig.

Es ist ein steter Fluss von Konsumbotschaften, der Kinder und Jugendliche heute online erreicht. Und nicht immer ist dabei das, was als Werbung gekennzeichnet werden müsste, auch wirklich mit diesem Etikett versehen. Das Influencer-Marketing boomt, es ist noch wirksamer als klassische Werbung. Denn die Werbetreibenden entstammen nicht selten der Zielgruppe, die sie als nahbar und glaubhaft wahrnimmt. Wer als populär erkannt wird, den oder die picken spezialisierte Werbeagenturen heraus und bauen sie als Werbefiguren auf.

Wer sein Kind YouTube schauen lässt oder den Instagram-Account erlaubt, muss also davon ausgehen, dass es dabei mit Werbung konfrontiert wird. Auch mit versteckter Werbung. Unternehmen möchten junge Konsumenten über bunte Onlinewerbung gern so früh wie möglich an ihre Marken binden. Je jünger Kinder sind, desto schwerer fällt es ihnen jedoch, digitale Werbestrategien zu erkennen.

Während Werbung im Fernsehen, im Radio, in Zeitschriften oder im Kino in der Regel auch von Kindern schnell erkannt wird, verschwimmen diese Grenzen auf YouTube und Co. Onlinewerbung ist zudem zielgenauer, folgt digitalen Spuren, die die Nutzer hinterlassen, und wertet ihre Daten und Interessen aus.

Freie Empfehlungen darf im Netz jeder aussprechen. Doch wer finanziell profitiert, macht Werbung. Die ist erlaubt, muss aber kenntlich gemacht werden. Wer sich darüber hinwegsetzt, muss mit einer Beanstandung oder einem Bußgeld rechnen. Die zuständigen Landesmedienanstalten schauen hier genau hin. Sie überprüfen, ob die geltenden Vorschriften zur Werbekennzeichnung eingehalten werden. Besonders in Sozialen Medien sind Fragen zur richtigen Kennzeichnung ein großes Thema.

Im Alltag aber liegt die Verantwortung bei den Eltern. Was können sie tun, damit ihre Kinder Werbung erkennen und ihre Botschaften hinterfragen? Eins vor allem: Sie können ihnen vom ersten Tag des digitalen Konsums an klarmachen, dass in ihren Lieblingsmedien öfter auch mal „geschummelt“ wird. Dafür müssen sie die Mechanismen der Werbung allerdings erst einmal selbst durchschauen, also zum Beispiel wissen, dass sich „kostenlose Spiele“ durch In-App-Käufe und Werbung finanzieren und plötzlich teuer werden können. Oder auch einmal darüber nachdenken, dass es so viele Gewinnspiele auf den „Kidsclub“-Seiten gibt, um kostenlos Daten von Eltern und Kindern zu sammeln.


Dieser Artikel stammt aus dem scout-Heft 1/2018: "Folge mir!"

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