Vor welchen Herausforderungen stehen geflüchtete Familien beim Umgang mit digitalen Medien?
Miriam Brinks ist Koordinatorin von samo.faPlus bei der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V. (TGS-H). Sie hat den Masterstudiengang „Migration und Diversität“ absolviert und war lange Zeit auch ehrenamtlich aktiv.
Frau Brinks, Sie arbeiten für samo.faPlus. Was steckt hinter dem Projekt?
samo.fa steht für „Stärkung der Aktiven aus Migrantenorganisationen in der Flüchtlingsarbeit“. Wir wollen Menschen mit Migrationsgeschichte als Aktive in ihrem Engagement für Geflüchtete unterstützen. Denn sie bieten aufgrund eigener Migrationserfahrungen Zusammenhalt und vereinigen eine Fülle von Kompetenzen, die für ein gutes Ankommen, für Integration und Teilhabe sehr wichtig sind. Seit Mitte 2016 besteht das Projekt und wird vom Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e.V. (NeMO) getragen. Aktuell beteiligen sich bundesweit 31 Städte. Für Kiel ist die Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V. (TGS-H) der lokale Partner.
Wo sehen Sie bei geflüchteten Familien die größten Herausforderungen?
Für geflüchtete Familien stellen ähnlich wie bei alleinstehenden Geflüchteten Spracherwerb oder der Zugang zum Arbeitsmarkt große Hürden dar.
Bei Familien kommen aber noch die Herausforderung der Kinderbetreuung und die Integration der Kinder hinzu. Insbesondere Frauen stehen mit Kinderbetreuung und Spracherwerb vor einer großen Doppelbelastung. Viele haben zum Beispiel gar nicht die Möglichkeit, einen Sprachkurs zu besuchen, weil sie keine Kita-Plätze für ihre Kinder haben und diese deshalb zu Hause betreuen müssen. Wenn die Kinder dann in die Schule kommen, können sie ihnen nicht bei den Hausaufgaben helfen, weil sie keine ausreichenden Sprachkenntnisse haben. Es ist eine Art Teufelskreis. Hier muss auf jeden Fall noch stark nachgebessert werden. Bei Angeboten für Frauen müssen wir daher auch immer die Betreuung der Kinder berücksichtigen.
Wegen der Corona-Pandemie wurden Schulunterricht und auch viele Arbeitsabläufe online durchgeführt. Diese Zeit hat sicher noch mehr Probleme und Bedarfe ans Licht gebracht. Welche haben Sie mitbekommen?
Homeschooling und Homeoffice waren für Menschen mit Fluchtgeschichte eine besonders große Herausforderung. In vielen Familien gab es nicht genügend technische Geräte, so dass dann der Unterricht teilweise über das Smartphone verfolgt werden musste. Zudem leben Menschen mit Fluchtgeschichte oft auf beengtem Raum und nicht jedes Kind in der Familie hat ein eigenes Zimmer, in dem es dem digitalen Schulunterricht folgen und Hausaufgaben erledigen kann. Oft haben Eltern auch keine E-Mail-Adressen, um mit der Schule oder den Lehrkräfte in Kontakt zu bleiben. Außerdem mussten die Eltern während des Lockdowns die Lehrer*innen ersetzen und Fragen der Kinder zu den Aufgaben beantworten, obwohl sie häufig selbst noch sehr wenig Deutsch sprechen. Durch Corona wurden also viele zusätzliche Bedarfe aufgezeigt, die vorher in dem Ausmaß nicht sichtbar waren.
Welche konkrete Unterstützung bietet da samo.faPlus?
Zum einen findet natürlich persönliche Unterstützung statt, wo es möglich ist. Zum anderen werden aber auch Workshops und Informationsveranstaltungen organisiert, um mehr Menschen zu erreichen und zu unterstützen. Mit Ihnen, der MA HSH, haben wir ja eine Elternrunde rund um das Thema Medienerziehung in der Familie veranstaltet, bei der sich Eltern, in dem Fall Mütter, Tipps für den Umgang mit digitalen Medien im Familienalltag holen konnten. Ende September und im Oktober 2021 findet außerdem zum Beispiel eine Veranstaltungsreihe in Kooperation mit der Volkshochschule Kiel statt. Darin wird erklärt, wie unterschiedliche digitale Meeting-Tools wie Zoom, Jitsi und Co. funktionieren, oder es geht um das Einrichten und die Verwendung von E-Mails.
Gibt es Besonderheiten in der Ansprache der Zielgruppe und der Gestaltung der Angebote?
Es hat sich gezeigt, dass der Bedarf auf jeden Fall da, die Zielgruppe aber sehr schwer zu erreichen ist. Es reicht hier nicht aus, einen Flyer zu erstellen und diesen dann über verschiedene Institutionen und Social-Media-Kanäle zu bewerben. Die Ansprache muss am besten persönlich und über Multiplikator*innen erfolgen. Ein Ehrenamtlicher teilte mir zum Beispiel mit, dass die Personen aus seinen Kreisen nicht teilnehmen würden, wenn er selbst nicht auch dabei ist. Dies hat gezeigt, Vertrauen spielt eine extrem große Rolle.
Und natürlich müssen Sprachbarrieren berücksichtigt werden. Zum einen ist es wichtig, eine möglichst niedrigschwellige Sprache zu verwenden. Zum anderen ist es immer sinnvoll, Veranstaltungsankündigungen auch in verschiedene Sprachen zu übersetzen und Geflüchtete somit direkt in ihren Muttersprachen anzusprechen.
Zu guter Letzt müssen wir die Kinder stets mitdenken. Wie ich schon erwähnte, werden vor allem Frauen oftmals an der Teilnahme an Veranstaltungen gehindert, weil sie ihre Kinder betreuen müssen. Hier ist es sinnvoll, Veranstaltungen entweder vormittags stattfinden zu lassen, wenn die Kinder in der Kita oder in der Schule sind, oder eine Kinderbetreuung anzubieten, wenn die Veranstaltungen nachmittags oder abends stattfinden.
Viele Dinge sind zu bedenken. Aber nur so können wir dem Ziel eines guten Ankommens der Familien in Deutschland näherkommen.