Rollen, krabbeln, Smartphone spielen
Wenn Kindern über ihre Lieblingssendungen oder Medienhelden reden, erfährt man, was sie im Innersten bewegt. Denn Helden stehen für die großen Themen der Kindesentwicklung, sagt Medienpädagogin Dr. Claudia Lampert.
Mediennutzung ab dem ersten Lebensjahr? Kommt das auf uns zu?
Auf jeden Fall sinkt das Einstiegsalter rapide. Das liegt auch an Tablets und Smartphones, auf denen schon Kleinkinder herumtippen können. Die Bedienung eines normalen Computers setzt hingegen eine gewisse Koordiniertheit und Geschicklichkeit voraus, die sich erst allmählich entwickelt und Kleinkinder als Bediener ausschließt.
Warum gibt es überhaupt Mediennutzung im Kleinkindalter?
Man muss sich nur das Umfeld der Kinder anschauen: Häufig läuft zu Hause nebenbei der Fernseher, oder die Eltern sind mit dem Smartphone beschäftigt. Kinder schauen sich viel vom Medienverhalten der Eltern ab. Insofern sind in erster Linie die Eltern dafür verantwortlich, wann das Kind mit der Mediennutzung beginnt und welche Medienangebote es in welchem Ausmaß nutzt.
Medienbildung heute, heißt das „Je früher, desto besser“?
Die Lager sind da gespalten, wenn es um digitale Medien geht. Medienbildung sollte meiner Meinung nach in jedem Fall dann anfangen, wenn der erste Medienkontakt hergestellt ist.
Was genau ist das Ziel frühkindlicher Medienbildung?
Eltern sollten grundsätzlich schauen, was ein Kind in seinem derzeitigen Entwicklungsstand braucht, um gesund aufzuwachsen. Kleinkinder sollen krabbeln, rollen, stehen können. Sie sollen lernen, sich die reale Welt anzueignen, Schritt für Schritt. Zur realen Welt gehören aber irgendwann auch Fernseher, später Handys, Computer und Onlinemedien. Wenn Kinder Medien nutzen, sollten sie lernen, die Potenziale auszuschöpfen und mit möglichen Risiken kompetent umzugehen.
Wie kann Medienerziehung in der frühen Kindheit funktionieren?
Interessant sind immer die sogenannten „Medienspuren“, also das, was Kinder ihren Freunden erzählen, den Erziehern oder auch den Eltern. Kindergärten sind ein toller Raum, um diesen Spuren nachzugehen, weil es im Spiel, im Erzählen oft um die Helden der Kleinen geht. Diese Spuren sind ideales „Material“ für Erziehung. Denn Kinder arbeiten die Themen, die sie bewegen, an und mit ihren Helden ab. Deshalb gibt es, egal ob in Buch, Film oder Videospiel, so viele kleine Helden, die sich mit Cleverness durchsetzen. Wickie ist ein gutes Beispiel. Kinder wollen sich abgrenzen von den Erwachsenen, immer selbstständiger werden. Helden wie Wickie helfen ihnen dabei, ihre Themen zu bearbeiten.
Wenn Eltern die medialen Helden ihrer Kinder unter die Lupe nehmen, erfahren sie viel mehr über ihr Kind, als wenn sie den Medienkonsum verteufeln?
Alle Kinder werden von „handlungsleitenden Themen“ getrieben. Und die äußern sich eben oft in dem, was Kinder medial nutzen. Nehmen Sie zum Beispiel Sammelkarten, die es zu vielen Medienangeboten wie Star Wars oder Pokémon gibt. Kinder sammeln gerne Dinge, weil sie damit ihre Erfahrungen von „meins“ und „deins“ umsetzen. Sie bilden Gruppen, tauschen Dinge, handeln miteinander. Gleichzeitig ist es wie eine Währung, ein System der Bewertung. Bewertung ist eines der großen gesellschaftlichen Themen geworden – und schon in Kindheit und Adoleszenz relevant.
Gibt es Normen, Regeln, die alle Eltern beachten müssen?
Eltern kennen ihre Kinder selbst am besten. Wenn sie ihre Aufmerksamkeit einmal in aller Ruhe auf das Kind richten und schauen, was es wirklich braucht – und das sind in der Regel nicht unbedingt die Medien – dann ist schon viel erreicht.
Zur Person
Die Medienpädagogin Dr. Claudia Lampert ist als wissenschaftliche Referentin am Hans-Bredow-Institut in Hamburg tätig. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte liegt in der Mediensozialisation und der Medienkompetenzförderung von Kindern und Jugendlichen.
Dieses Interview ist in der scout-Ausgabe 1_2014 erschienen.