„Oft erkennen Jugendliche nicht, dass sie sich mit der Verbreitung solcher Inhalte strafbar machen“
Fünf Fragen zu Verhaltensweisen in Sozialen Netzwerken, die strafrechtliche Konsequenzen für Kinder und Jugendliche haben können, an Andreas Mackenthun (Fachstelle Kriminalprävention beim Landeskriminalamt Hamburg).
Was genau ist die Aufgabe Ihrer Dienststelle?
Aufgrund einer Rahmenvereinbarung zwischen der Schulbehörde und der Polizei Hamburg aus dem Jahr 2008 koordinieren wir seitdem das „Präventionsprogramm Kinder- und Jugenddelinquenz“:
Im Rahmen des Unterrichts klären Polizeibeamt*innen in den Klassen 5 bis 8 zu Themen der „Gewaltdelinquenz“ auf. Verbindlich und flächendeckend werden je zwei Doppelstunden pro Schuljahr durchgeführt. Die Kolleg*innen unterrichten im Nebenamt, also freiwillig in ihrer Freizeit. Themen sind „Opferprävention“, „Zeugen und Helfer“, „Gewalt gegen Personen und Sachen“ und „Folgen von Straftaten“.
Stehen da dann auch das Internet und die Sozialen Medien im Fokus?
Digitale Gewalt und Mediensicherheit sind nicht Teil des Lehrplans. Hin und wieder tauchen aber Fragen zu diesen Themen auf und können dann in Einzelgesprächen behandelt werden.
Bessere Ansprechpartner sind da die „Cop4U“, also unsere speziell für die Arbeit an Schulen ausgebildeten Kontaktbeamt*innen, die in den Schulen regelmäßig präsent und offen für alle Fragen sind. Sie können auch zu bestimmten außerordentlichen Anlässen gerufen werden und wissen, wann sie eine Fachdienststelle hinzuziehen müssen Wenn zum Beispiel in einer WhatApp-Gruppe an einer Schule Bilder oder Videos ausgetauscht werden, auf denen andere Schüler*innen gemobbt werden. Das fängt manchmal mit geschmacklosen Streichen an und endet dann vielleicht mit gefälschten Bildern oder sogar pornografischen Fotomontagen. Da leidet dann nicht nur das Opfer erheblich – jede/r Einzelne macht sich bei der Verbreitung solcher Inhalte strafbar.
Welche Risiken - insbesondere in den Sozialen Medien - sind denn aus Ihrer Sicht besonders relevant?
Besonders häufig taucht das Thema Cybermobbing auf. Da vermuten wir eine hohe Dunkelziffer. Weil das aber keine spezifische Straftat ist, sondern sich in einer ganzen Reihe anderer Tatbestände wie Beleidigung, üble Nachrede oder Körperverletzung niederschlagen kann, haben wir hierzu keine gesonderte Statistik.
Das gilt auch für Cyergrooming, der Anbahnung eines sexuellen Kontakts mit Minderjährigen. Auch hierfür gibt es keinen eigenen Tatbestand, somit taucht es auch nicht explizit in der Kriminalstatistik auf. Es schlägt sich dort zum Beispiel als „versuchter oder vollendeter sexueller Missbrauch von Kindern“ nieder. Hier vermuten wir ebenfalls ein großes Dunkelfeld.
Was uns besondere Sorge bereitet, ist die Verbreitung von Kinderpornografie über Soziale Medien. Das ist ein Thema auch an Schulen, oft aus Unkenntnis, da versuchen wir nach Kräften mehr aufzuklären. Die Jugendlichen machen sich häufig nicht klar, dass sich hinter solchen Aufnahmen echte Schicksale verbergen und das Leiden der gefilmten oder fotografierten Kinder unter Umständen noch immer anhält. Und auch nicht, dass man sich bei der Verbreitung strafbar macht – und zwar bereits dann, wenn man ein derartiges Bild auf seinem Handy speichert oder auch, wenn man es einfach nur in Empfang nimmt und es automatisch gespeichert wird. Das ist dann „Besitz von Kinderpornografie“.
Wir wünschen uns bei Kindern und Jugendlichen mehr Sensibilität dafür, dass die Gefilmten mit jedem Weiterleiten erneut zum Opfer werden, die Taten somit immer weiter andauern.
Ab wann ist etwas denn Kinder- oder Jugendpornografie? Schon wenn sich ein jugendliches Paar erotische Fotos schickt?
Der Begriff der Kinder- bzw. Jugendpornografie ist ein sogenannter unbestimmter Rechtsbegriff, das heißt, er unterliegt in weiten Teilen der Definition der Gerichte. In jedem Fall sind sexuelle Handlungen von, vor oder an Kindern und Jugendlichen gemeint, aber auch das sogenannte „Posing“. Hierbei kommt es auf den Gesamteindruck einer Aufnahme an: Gemeint sind Bilder, auf denen Kinder oder Jugendliche in „sexualisierter Haltung“ dargestellt werden, wenn ihre Genitalien oder ihr Po im Fokus stehen, wenn die Körperhaltung einen sexualisierten Hintergrund andeutet.
Solche Fotos gelten, selbst wenn sie untereinander genutzt werden, grundsätzlich als Kinderpornografie, wenn die Abgebildeten unter 14 Jahre alt sind, und als „Jugendpornografie“ bei den älteren, nicht erwachsenen Jugendlichen.
Wenn sich ein jugendliches Paar erotische Fotos schickt, kommt es also auf den Einzelfall an. Ganz wichtig ist aber zu wissen, dass auch Fotos, die nicht hierunter fallen, später einmal missbraucht werden können und dann ohne Zustimmung im Internet landen. Dabei können sie für Mobbing – für Erpressung, Nachstellung oder Nötigung – verwendet werden, was auch passiert.
Hierüber fehlt bei Kindern und Jugendlichen noch das nötige Wissen - und auch bei deren Eltern. Bei denen müsste es ja anfangen: Sie haben den primären Erziehungsauftrag, wissen aber häufig noch weniger Bescheid über Sicherheit im Netz als ihr Nachwuchs. Auch die Schulen können und müssen da mehr leisten.
Wenn jetzt an einer Schule eine Situation eintritt, bei der zum Beispiel Gewaltvideos im Umlauf sind, Kinderpornos oder volksverhetzende Sticker – soll die Schule versuchen, das erst einmal ‚pädagogisch“ zu lösen und die Polizei nicht sofort einzubinden?
Liegt eine echte Straftat vor, sollte sie auch angezeigt werden. Für die Polizei besteht dann kein weiterer Spielraum. Werden wir angesprochen, sind wir immer an den „Strafverfolgungszwang“ gebunden. Bei zivilrechtlichen Fällen, zum Beispiel im Fall von Cybermobbing, müssen dagegen die Eltern als Erziehungsberechtigte abwägen, wann sie Anzeige erstatten wollen.
Wenn etwas passiert, das den Schulfrieden stört, und auch der Verdacht einer Straftat besteht, können sich die Schulen an den Cop4U wenden oder auch an jede andere Polizeidienstelle, die das dann weiterleitet. Sollte tatsächlich möglicherweise eine Straftat vorliegen, werden Staatsanwaltschaft und Polizei ein Verfahren einleiten und ermitteln. Im Fall von Kinderpornografie richtet sich das gegen jede Person, die das Material verschickt hat. Wir verfolgen also die Sendekette nach. Da ist dann zunächst jeder unter Verdacht, der so etwas auf dem Handy hatte. Wer derartige Inhalte geschickt bekommt, sollte damit deshalb sofort zur Polizei gehen.
Denn eine Weiterleitung, egal wo in der Kette, liegt im strafrechtlichen Bereich auch wenn die Ermittlungen gegen minderjährige „Mittelspersonen“ am Ende oftmals eingestellt werden. Für die Kinder und Jugendlichen hat das aber schon einen abschreckenden Effekt. Insbesondere, weil die Handys als Beweismittel und potenzielle Tatmittel zeitweilig oder ganz eingezogen werden. Das ist dann im Grunde schon die „Höchststrafe!“