Mediennutzung

Offline in der Steiermark

Unser scout-Autor macht sich Gedanken über die innige Verbindung der Deutschen zum Off-Knopf. Alle wollen unbedingt „mal abschalten“. Aber keiner tut's. Warum eigentlich nicht? Eine Glosse.


Abbildung von einem Lichtschalter und einem Schalter für die Klingel
Foto: Felix Amsel

In der Steiermark gibt es einen neuen Tourismustrend, und der heißt „Offline-Urlaub“. Besonders Gäste aus Deutschland sollen diese Angebote wahrnehmen. Wichtig sei ihnen jedoch immer, dass es irgendwo in der Nähe Handyempfang gibt.

Woher kommt er, der allgegenwärtige, aber doch durchschaubar naive Wunsch nach dem Abschalten? Helmut Schmidt wollte schon 1978 den Deutschen den Off-Knopf nahebringen, als er den „fernsehfreien Sonntag“ forderte. Statt zu glotzen, so der damalige Bundeskanzler, könne sich die Familie am Wohnzimmertisch zu einem guten Gespräch treffen. So wie das verordnete „gute Gespräch“ nie richtig in Gang kam, so hat der Deutsche generell Schwierigkeiten damit, einfach mal auszuspannen. Er benötigt dazu Badeöle, die „Zeit für Dich“ heißen, oder einen Yoga-Trainer als Vorturner. Der Tagesbefehl lautet entweder: „Noch eben meine Mails checken!“ Oder: „Seele baumeln lassen!“ Zum „Keine Ahnung, heute habe ich noch nichts vor“ haben wir anscheinend kein Genie. Und so können die Rufe nach dem „Abschalten“ meist nicht viel mehr als ein Mantra sein, das seinem Sprecher vermittelt, er habe durch die gute Absicht, irgendwann einmal total abschalten zu wollen, irgendwie ja tatsächlich abgeschaltet.

Die Medienprofessorin Miriam Meckel möge da ein warnendes Beispiel sein: Nach ihrem Buch „Das Glück der Unerreichbarkeit: Wege aus der Kommunikationsfalle“ war sie beruflich so eingespannt, dass sie zwei Jahre später ihren Selbsterfahrungs-Burnout-Bestseller nachschob. Aktuell brandmarkt sie in „NEXT – Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns“ die Gefahren der totalen Vernetzung. Und Urlaub macht sie dann, so möchte man vermuten, in der Steiermark.


Dieser Artikel ist in der scout-Ausgabe 1_2013 erschienen und wurde für den Relaunch der Website 2014 aktualisiert.

Das könnte Sie auch interessieren: