Manieren statt Verbote
In der Kirche und im Krankenhaus, da bleibt das Handy aus. Klingt wie ein ehernes Gesetz, ist es aber gar nicht. Schüler aus Hamburg haben gemeinsam überlegt: Wo kann man ungestört und nichtstörend telefonieren – und wo lieber nicht?
Die Funkzellen der Anbieter mobiler Telefonie legen sich in einer Wabenstruktur über das Land. Inzwischen nahezu flächendeckend, besonders in der Stadt. Wie ein großes Bienennest, mit einem allgegenwärtigen Summen. Aber es gibt sie noch, die stillen Plätze, handyfrei per Verbot. Oder freiwillig, weil die Rücksicht es verlangt. Das ist schnell so hingesagt: In Krankenhaus, Kino, S-Bahn, Kirche und Schule sollten die Handys und ihre Nutzer schweigen. Oder? scout hat drei Hamburger Schüler gefragt, wie sie das sehen: Justus vom Gymnasium Allee in Altona und Karl und Arne vom Gymnasium Othmarschen haben sich zum Gespräch getroffen. Ein Protokoll.
ARNE: Ich musste heute mein Handy abgeben, weil ich im Unterricht heimlich einem Freund eine SMS geschrieben habe. Der Lehrer hat mir dann ein Formular für meine Eltern gegeben. Die hätten dann das Handy in der Schule abholen sollen. Das war zwar nur ein Warnschuss, und ich habe es zurückbekommen. Aber demnächst soll das immer so laufen.
JUSTUS: Das macht ja jeder mal, du darfst dich halt nicht erwischen lassen. Bei mir auf der Schule sind Handys komplett verboten. Aber da hält sich natürlich kaum einer dran, und die Lehrer schauen weg, wenn es nicht stört. Das finde ich auch richtig so.
KARL: Warum sollte ich denn in den Pausen nicht telefonieren? Das stört doch keinen. Und manchmal muss ich meine Mutter anrufen, um einen Termin am Nachmittag abzusprechen – und das soll verboten sein?
ARNE: Es ist doch völlig klar: Wenn der Unterricht gestört wird oder jemand überhaupt nichts mehr mitbekommt, weil er mit dem Handy beschäftigt ist, dann ist das schlecht. Aber ich werde doch wohl mal auf die Uhr schauen dürfen, oder?
JUSTUS: Ich würde alle Handys auf stumm schalten, dann kann jemand während des Unterrichts anrufen, und ich rufe später zurück.
ARNE: Viele Verbote sind doch etwas seltsam aus unserer Sicht. Wir sind mit Handys und Smartphones aufgewachsen, die sind für uns ganz selbstverständlich. Ich fühle mich vielleicht deshalb auch nicht sofort belästigt, wenn zum Beispiel jemand neben mir im Bus telefoniert. Das ist Kommunikation, da kann ich nichts Böses dran finden.
KARL: Klar gibt es Leute, die ins Handy brüllen und alle nerven. Es gibt aber auch welche, die ganz einfach so laut sind und sich mit Freunden streiten. Um anderen auf die Nerven zu gehen, brauche ich kein Handy. Und wenn jemand zu laut ist, kann ich doch ganz einfach freundlich fragen, ob es auch ein bisschen leiser geht und an seinen Verstand appellieren.
JUSTUS: Das ist einfach eine Frage der Höflichkeit. Verbote in Bus oder Bahn fände ich überzogen und absurd.
ARNE: Meistens sind es doch Geschäftsleute, die während der ganzen Fahrt durchtelefonieren und ihren Sekretärinnen irgendwelche geheimen Details über irgendwelche Deals erzählen. Das finde ich krass. Aber sonst ist Telefonieren in Bahn und Bus für mich völlig okay. Warum sollen sich Menschen nicht austauschen, solange es nicht völlig stört?
Alle drei haben Smartphones, sind auf Facebook, nutzen aber vor allem „WhatsApp“ als kostenlosen Messenger-Service. Justus schaut während des Gesprächs immer wieder mal auf sein iPhone, Arne und Karl haben ihre Geräte zur Seite gelegt.
KARL: Natürlich gibt es Orte, an denen Handys völlig ausbleiben sollen, Kirchen zum Beispiel.
ARNE: Ja, überall dort, wo sich Menschen etwas zurückziehen oder erholen wollen. Telefonieren in Kirchen ist ganz klar ein absolutes No-go!
KARL: Und in Kinos oder Bibliotheken!
ARNE: Bibliotheken, da gehst du doch gar nicht hin! Im Ernst: Ich finde es unmöglich, wenn Leute das Handy im Restaurant neben dem Teller liegen haben. Das ist total unhöflich. Ein gemeinsames Essen soll doch sozial sein, da hat das Handy nichts zu suchen. Das gehört sich einfach nicht.
Dieser Artikel ist in der scout-Ausgabe 1_2013 erschienen.