Influencer*innen sind keine Freund*innen!
Anja Lapčević vom Schweizer Verein Conscious Influence Hub wünscht sich dennoch mehr Bewusstsein von Influencer*innen für ihren Einfluss auf junge Menschen.
ANJA LAPČEVIĆ
ist Geschäftsführerin des www.consciousinfluencehub.org: „Unser Ziel ist es, die Werte Respekt, Empathie
und Transparenz in den digitalen Medien zu fördern und die positive Kraft der sozialen Medien und einer engagierten Digital
Community zu nutzen, um das gesellschaftliche Miteinander zu stärken.“
Eine große Zahl junger Menschen vertraut Influencer*innen mehr als klassischen Medien, nutzt deren Kanäle oft als einzige Infoquelle – warum eigentlich?
Das Vertrauen rührt zum einen daher, dass sich die jungen Menschen bewusst für den Kanal eine*r Influencer*in entschieden haben. Dafür sind sie selbst aktiv geworden, haben den Kanal abonniert, das bindet.
Zum anderen präsentieren sich die Influencer*innen auf genau den Kanälen, auf denen die Jugendlichen ohnehin unterwegs sind.
Kann es nicht auch daran liegen, dass Influencer*innen oft eine große – gefühlte – Nähe aufbauen und diese dann nutzen, vielleicht sogar ausnutzen?
Ich würde das nicht wirklich als absichtliches Handeln bezeichnen wollen. Viele Infl uencer*innen haben ja sehr klein angefangen, sind dann allmählich mit der Community gewachsen und in diese Position hineingerutscht.
Wer so anfängt, sieht seine ersten Follower*innen vielleicht sogar selbst zunächst als Freund*innen. Und dann baut die „Community-Ansprache“ in Social Media ja auch sehr stark auf Nähe. Das gehört quasi zur DNA von sozialen Netzwerken: Facebook entstand zunächst als Freund*innen- netzwerk. Dass es dann solche Dimensionen erreichen würde, war nicht abzusehen.
Sollten Influencer*innen dann nicht auch deutlich machen: Wir sind euch vielleicht nah, aber bitt e haltet uns nicht für eure Freund*innen!?
Ich glaube nicht unbedingt, dass junge Menschen die Influencer*innen, die sie bewundern, tatsächlich gleich für Freund*innen halten. Dafür sind sie doch zu weit entfernt. Sie sehen sie eher als Vorbilder. Für Freundschaft fehlt insbesondere die „gleiche Augenhöhe“. Ich denke, das ist den meisten auch bewusst. Was den Einfluss und die Verantwortung der Influencer*innen aber nicht mindert!
Gerade bei jüngeren Zielgruppen kann man doch davon ausgehen, dass sie den Unterschied zwischen freundlicher Ansprache und Freundschaft nicht immer erkennen…
… für Kinder und den Umgang mit ihnen ist Social Media nicht gemacht! Für die Jugendlichen ist Social Media vor allem ein Infotainment- und Wohlfühlort – dass dort, auch im Namen der Freundschaft, schlimme Dinge passieren können, ist vielen nicht bewusst. Da sind Eltern und Institutionen gefragt, das nötige Bewusstsein zu schaffen, die Kinder schon möglichst früh darauf vorzubereiten. In Deutschland passiert da schon einiges. Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Angebote und Aktionen es gibt, insbesondere auch von den Landesmedienanstalten.
Sind sich Infl uencer*innen ihrer eigenen Verantwortung bewusst?
Sehr oft leider nicht. Sie fangen jungdamit an, wachsen in diese Position hinein, sehen nicht die Verantwortung, die damit einhergeht. Wir als Gesellschaft unterschätzen aber auch, wie jung viele dieser Influencer*innen sind, wie viel von ihnen verlangt wird, wie allein sie sich damit fühlen können. Deshalb müssen wir sie dabei unterstützen, eine Haltung zum Thema Verantwortung zu entwickeln. Das ist eines der Ziele unseres Vereins.
Welche Rolle sollten aus Ihrer Sicht zukünftig rechtliche Leitlinien und Kennzeichnungspflichten spielen?
Ich kann jetzt eigentlich nur für die Schweiz sprechen. Hier gibt es bereits einige Gesetze, welche auch in der digitalen Welt greifen. Dennoch, finde ich, hilft in Bezug auf die Influencer*innen generell Aufklärung mehr, als es Gesetze tun. Die Gesetzgeber*innen können teilweise nicht so schnell reagieren, wie sich Social Media weiterentwickelt. Unser Verein setzt auf das Miteinander, auf den gemeinsamen Dialog: Influencer*innen und die Gesellschaft sollten Regeln miteinander aushandeln. Der Verein hat gemeinsam mit Fachexpert*innen und der Influencer*innen-Community zunächst einen „Code of Conduct“ enwickelt. Der enthält zehn Richtlinien für verantwortungsvolles und nachhaltiges Handeln und thematisierauch die Verantwortung gegenüber Kindern und Jugendlichen. Was regulatorische Themen wie zum Beispiel die Einhaltung von Altersgrenzen, Jugendschutz oder eine korrekte Kategorisierung der Inhalte betrifft müssen meiner Meinung nach vor allem die Plattformen in die Pflicht genommen werden.