Mediennutzung

Hausbesuch

Navid, 9, ist sportbegeistert. Real und virtuell. Siamak, 50, will auf Facebook auf keinen Fall seinen Kindern begegnen. Nima, 12, hängt lieber mit Freunden rum als vor dem Computer. Vier Familienmitglieder erzählen aus ihrem digitalen Alltag.


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NAVID, 9, MEISTER DER WII, HANDYBESITZER UND SPORTBEGEISTERT – EGAL, OB DER BALL VIRTUELL IST ODER REAL.

Ich habe ein Handy, einen Nintendo DS light und mit Nima zusammen eine Wii. Den Nintendo nehme ich nur auf Reisen mit, und das Handy benutze ich nur, wenn ich Mami bei der Arbeit anrufe und fragen möchte, ob ich mich mit einem Freund verabreden kann. Seit ich das Handy habe, muss ich nämlich nicht mehr im Hort auf sie warten und darf alleine mit dem Rad nach Hause fahren. Ins Internet gehe ich nur, wenn Mami oder Papi es erlauben. Dann spiele ich auf SpielAffe.de ein Computerspiel. Es darf aber kein Chat dabei sein, das möchte Papi nicht, weil man nicht weiß, wer da mit einem chattet. Mit der Wii darf ich nur am Wochenende spielen oder mal ausnahmsweise, wenn mein bester Freund zu Besuch ist. Am liebsten spiele ich FIFA 2011, da bin ich dann Fußballer. Seit Weihnachten habe ich schon drei Saisons gespielt, ich bin Spanischer Meister geworden und die Champions League habe ich auch schon gewonnen. Aber am liebsten würde ich den ganzen Tag richtigen Sport machen, Fußball spielen oder Hockey. Wenn man ganz lange Wii spielt, macht es irgendwann gar keinen Spaß mehr.“

SIAMAK, 50, DER DIGITALE, IST FAN VON IPHONE SOWIE IPAD UND WILL BEI FACEBOOK AUF KEINEN FALL SEINEN KINDERN BEGEGNEN.

„Ich bin großer Fan von Social Networks, bin bei Xing und Linkedin. Bei facebook habe ich alte Schulfreunde und Verwandte wiedergefunden. Ich stamme aus dem Iran, bin in England und Frankreich aufgewachsen. Dank der Netzwerke habe ich etwa herausgefunden, dass eine entfernte Cousine heute auch in Hamburg wohnt. Und obwohl meine Geschwister in Frankreich leben, weiß ich immer, was sie machen – über facebook, das ist toll. Aber für meine Kinder bleiben solche Netzwerke tabu, bis sie 14 oder lieber noch 15 sind. Bei einer Veranstaltung in der Schule erzählte ein Experte, wie viele Kinder online gemobbt werden. Die Mädchen schreiben sich gehässige Nachrichten, die Jungs stellen kompromittierende Videos ins Netz. Trotzdem dürfen meine Söhne, und vor allem Nima, natürlich im Internet surfen. Wir haben keine Filter eingerichtet, die bestimmte Websites sperren. Ich arbeite selbst für eine Softwarefirma und glaube nicht daran, dass man alles absperren kann. Mir ist viel wichtiger, dass Navid und Nima uns vertrauen und wir ihnen. Dass sie zu uns kommen, wenn etwas komisch ist im Netz, und dass sie Sites meiden, die nicht gut für sie sind. Wir haben sie aufgeklärt über die Gefahren, die im Netz lauern, wie Werbung, Kostenfallen oder anonyme Chats. Wir haben ihnen aber auch erklärt, warum das Internet etwas Tolles ist. Die Gefahren muss man ernst nehmen, doch die neuen Medien bieten auch unendlich viele Vorteile und machen Spaß. Wenn ich morgens aufstehe, checke ich zuerst meine Mails auf meinem iPhone. Später schalte ich mein iPad an und koche mir einen Espresso, während ich auf Spiegel Online die neuesten Meldungen lese.“

KERSTIN, 48, DIE ANALOGE, BESITZT EINEN URALTEN LAPTOP, WEIß ABER IMMER GANZ GENAU, WAS IHRE SÖHNE AM COMPUTER TREIBEN.

„Ich komme aus der analogen Welt und bin darin hängengeblieben. Für elektronische Medien fehlt mir offenbar der Spieltrieb. Ich weiß bis heute nicht, wie man die Fotos von meiner Digitalkamera auf den Rechner überspielt. Bei meiner Arbeit als Redakteurin sitze ich genug am Computer, zu Hause nutze ich meinen alten Laptop nur, um E-Mails zu lesen, etwas zu googlen oder Dokumente abzuspeichern, aus den Schulen und Sportvereinen etwa. Ich schaue lieber einen Film oder lese als zu surfen oder in sozialen Netzwerken rumzuhängen. Dafür ist das Handy immer wichtiger geworden, es ist eine Art digitaler Nabelschnur zu den Kindern. Seit sie eines haben, bin ich viel unabhängiger. Für die Kinder gelten klare Regeln: Der Computer wird nur nach Freigabe und für eine vereinbarte Zeit angeschaltet. Dasselbe gilt für die Wii und den Fernseher. Nach dem Abendessen dürfen die Jungs ein oder zwei Folgen ihrer Lieblingsserie gucken, am Wochenende auch mal länger. Navid würden wir nie alleine vor dem Computer sitzen lassen, weil wir ansprechbar sein wollen für Fragen und wissen möchten, was er tut. Nima kann man dagegen mit 12 – sowohl was die Zeit als auch was die Inhalte betrifft – Freiräume lassen. Anfangs habe ich mich schwer getan mit seinem iPod, weil der viele Funktionen hat und man ihm schlecht vorschreiben kann, wann er ihn nutzt. Doch Nima hat mich gelehrt, dass ich ihm vertrauen kann. Und dass es gut ist, wenn er beispielsweise beim Ranzenpacken schnell auf der Homepage seiner Schule in den Vertretungsplan schaut. Inzwischen kommentiere ich seine Mediennutzung eher, als dass ich sie kontrolliere.“

NIMA, 12, DIGITAL NATIVE UND IPOD TOUCH-USER, DER LIEBER MIT FREUNDEN RUMHÄNGT ALS VOR DEM COMPUTER.

„Ich habe einen iPod touch, den habe ich mir selbst gekauft. Natürlich mussten Mami und Papi das vorher erlauben, sie haben mir quasi die Erlaubnis geschenkt. Früher habe ich meinen iPod nur benutzt, um Spiele zu spielen. Heute benutze ich ihn auch, um Musik zu hören oder meine E-Mails zu lesen – das ist so praktisch. Mami geht immer noch mühsam an den Computer und wartet minutenlang, bis der startklar ist, und kann erst dann ihre Mails lesen. Das wäre mir viel zu langsam. Mein iPod startet sofort, ich muss nur ein Symbol berühren und schon sehe ich meine Mails. Im Internet surfe ich damit aber nicht viel. Ein paar aus meiner Klasse sind auch bei SchülerVZ, ich möchte das aber nicht, ich finde das unnötig. Ich kann mich ja in der Schule mit meinen Freunden unterhalten und mich verabreden oder wir telefonieren. Wir müssen ja nicht die ganze Zeit vor dem Computer hängen. Ab und zu macht das aber natürlich Spaß, dann surfe ich zusammen mit einem Freund bei youtube, wir geben lustige Begriffe wie „dummer Junge“ ein und schauen uns die Videos an. Wie lange ich vor dem Computer sitzen darf, entscheiden Mami und Papi. Wir haben aber keine festen Zeiten vereinbart, wir haben das mal versucht, das ging überhaupt nicht. Ich habe immer versucht, Zeit aufzusparen. Und dann hatte ich an den Tagen, für die ich gespart hatte, doch keine Zeit, den Computer zu nutzen. Also habe ich in der nächsten Woche versucht, schon in den ersten Tagen alles zu verspielen, das war auch blöd. Eigentlich lese ich sowieso am liebsten ein Buch, vor dem Einschlafen. Mein Rekord liegt bei 80 Seiten in einer Nacht!“

Der Hausbesuch fand im Jahr 2011 statt; der Text ist in der scout-Ausgabe 3_2011 erschienen.

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