„Es fühlt sich nicht so kriminell an“
Mathis Koch aus Hamburg ist zwölf und geht auf das Gymnasium Johanneum. Er fragt sich, warum Kinder für Musik genau so viel zahlen müssen wie Erwachsene. Und: Wo klauen überhaupt anfängt.
„Ich bin zwölf Jahre alt, und die digitalen Dinge, die man in meinem Alter besitzt, sind Spiele, Apps, Musik und Filme. Vieles davon kann man kaufen. Aber richtig große Sammlungen aufzubauen, das ist für mich und die meisten meiner Freunde viel zu teuer. Ich kann verstehen, dass es fair zugehen muss: Wenn man etwas Tolles erfunden hat, dann hat man viel Zeit und Gehirnschmalz eingesetzt. Natürlich sollte man dann auch etwas dafür bekommen. Die Musiker, Schriftsteller oder Programmierer bekommen ihren Lohn nicht, wenn ich ihr Werk einfach klaue. Aber außerdem wurde ihnen dann ja auch ihre Idee geklaut, und das finde ich schlimm. Weil man ja oft am meisten stolz auf die eigenen Ideen ist.
Aber ist es fair, dass die Preise für alle gleich sind, egal, ob sie erwachsen sind und gut verdienen, oder ob sie noch zur Schule gehen, wie ich? Wenn ich ins Kino gehe, kostet meine Eintrittskarte viel weniger als die für meine Eltern. Aber nicht, wenn ich Musik kaufen will oder ein Buch oder eine App. Sollen wir jetzt darauf verzichten, Musik zu hören und Spiele zu spielen, weil wir es uns nicht leisten können? Viele Hamburger Schüler, die ich kenne, sagen „Nö“ und laden sich das Zeug erst einmal runter.
Es fühlt sich eben nicht so kriminell an, als würde man einen Schokoriegel oder ein Auto klauen. Bestimmt wird das illegale Downloaden auch nicht so bestraft, als wenn ich was Handfestes mitgehen lasse – das denken zumindest die meisten. Und wo fängt das Klauen überhaupt an? Neulich hat mein Freund im Kino seine Lieblingsszene mit der Handykamera abgefilmt als ganz private Erinnerung. Ist das kriminell? Auf jeden Fall hätte er viel Ärger bekommen können. Eindeutig kriminell wäre, wenn er den ganzen Film mitgeschnitten und an alle seine Freunde verschickt hätte. Aber so was würde keiner von uns machen. Alle meine Freunde wissen, dass man sich die meisten Sachen für lau aus dem Netz besorgen kann, aber uns ist natürlich klar, dass das nicht okay ist. Seit einiger Zeit schenken wir uns zu unseren Geburtstagen gegenseitig iTunes-Karten. Meine Party war letzte Woche und ich bin wieder flüssig…
Dieser Text ist in der scout-Ausgabe 2_2013 erschienen.