„Wir wollen Kinder, die mit Medien umgehen können“
Klaas Bröcker ist Fachschaftsleiter „Medien“ an der Emil-Nolde-Grundschule in Bargteheide. Im Interview mit dem Scout-Magazin erläutert er das vom Land Schleswig-Holstein ausgezeichnete Medien-Konzept der Schule und warum Medien-Aufklärung schon in der Grundschule wichtig ist.
Herr Bröcker, Ihre Emil-Nolde-Grundschule in Bargteheide ist als eine von drei Grundschulen in Schleswig-Holstein als „Modellschule Lernen mit digitalen Medien“ ausgezeichnet worden. Was macht Ihre Schule so besonders?
Klaas Bröcker: Wir sind ausgezeichnet worden für unseren Medienpass und unser Projekt „Programmieren mit Lego für Kinder im Grundschulalter“. Unser Ziel ist: wir möchten die Kinder zu kritischen Nutzern der digitalen Medien ausbilden. Bei den Kindern sind die neuen Medien zu Hause alle verfügbar, sogar meist uneingeschränkt. Unsere Aufgabe ist es, die Nutzung richtig zu kanalisieren, sie für die Kinder sinnvoll nutzbar zu machen und über Gefahren aufzuklären.
Schüler, die unsere Grundschule nach der Vierten verlassen, können Textbearbeitung in ihren Grundzügen, also Schriftgestaltung, das Formatieren eines Blattes. Sie können im Internet auf Kinderseiten recherchieren. Sie beherrschen einfache Fotobearbeitung, wissen wo sie freie Bilder finden und können Kollagen mit erstellen. Alle machen eine Art ‚Internetführerschein‘ angelehnt an das Internet-ABC, an dem wir uns beteiligen. Und außerdem gewinnen sie einen Grundgedanken der Programmierung, durch dieses Lego-Projekt, für das wir ausgezeichnet worden sind (scout berichtet hier). Aber wir wollen nicht nur kleine Internetuser ausbilden, sondern kritische User schaffen. Das ist unser Ziel.
Welches pädagogische Konzept steckt dahinter?
Klaas Bröcker: Der Medienbereich ist auf das ganz normale Grundschulprofil draufgesetzt. Und zwar nur draufgesetzt. Wir lassen nichts anderes weg. Unser Medienkompetenz-Konzept beruht auf drei Säulen: Fachunterricht mit Medien, wie Smartboards, Internet und Co, Projekte, wie Lego am PC oder unsere Hörspiel-AG und Medienstunden im PC-Raum. Jedes Kind bekommt einen Medienpass, in dem für die Eltern transparent wird, was im Unterricht gemacht wurde. Das pädagogische Konzept für den Unterricht liegt jeweils bei der Lehrkraft. Jeder arbeitet auf seine Art, aber das Ziel ist bei allen das Gleiche. Und wir tauschen uns regelmäßig aus. Wir schreiben unseren Lehrplan selbst, denn es gibt keinen vorgegebenen für dieses Fach.
Sind die Medien an Ihrer Grundschule omnipräsent?
Klaas Bröcker: Nein. Wir schreiben nicht mit der Tastatur, wir schreiben per Hand. Wir machen bewusst keinen Unterricht mit Tablets, weil wir uns einen modernen Unterricht, bei dem wir Gruppenarbeit, Partnerarbeit und Kommunikation fördern wollen, nicht vorstellen können, wenn jedes Kind einen Computer vor der Nase hat. Wie soll das funktionieren? Wir wollen den Frontalunterricht nicht wieder ins Klassenzimmer lassen. Ein Laptop als Ausstattung für eine Station, oder für eine Gruppenarbeit können wir uns wiederum vorstellen. Die Kinder lernen Medien zusätzlich, alles andere gibt es auch. Wir gehen im Heimat-, Welt- und Sachunterricht mit einem Dreschflegel nach draußen und dreschen mit den Kindern das Getreide, das wir uns zuvor beim Bio-Bauern geholt haben. Letztendlich sind wir nicht anders, als andere Grundschulen, wir haben nur diesen Bonus obendrauf.
Wir sind keine Aktionisten, die alles ranschaffen, was Medien heißt
Ist das Internet für Grundschulkinder ungefährlich?
Klaas Bröcker: Natürlich nicht. Wir klären die Kinder über die Gefahren auf. Und das machen wir offen und ehrlich. Wir sagen ihnen deutlich, was ihnen begegnen kann. Wir machen ja auch Sexualaufklärung in der vierten Klasse. Und ganz ehrlich: Kein Jugendschutzprogramm kann ein Kind daran hindern, ‚Sex‘ oder andere Suchbegriffe einzugeben und auf solchen Seiten zu landen. Das heißt, wir müssen ihnen klarmachen, dass es Gewalt, Sex und für sie unangemessene Bilder im Internet gibt. Damit sie gewappnet sind und richtig reagieren können.
Aber uns ist wichtig: Wir machen keine Schülerexperimente oder Versuche mit Kindern. Stattdessen probieren wir neue Projekte oder Erweiterungen des Medienpasses in Kleingruppen aus, was ob das neue Element den Kindern uns etwas bringt oder unsere Lernziele unterstützt und was wir als echten Förderung Fortschritt ansehen. Und wenn es nicht funktioniert, dann stirbt das Vorhaben. Wir sind keine Aktionisten, die alles ranschaffen, was Medien heißt.
Ihr Fach „Medien“ gibt es im Curriculum nicht. Wie konnten Sie das Fach als Schule einrichten?
Klaas Bröcker: Wir haben uns selbst dieses Schulprofil gegeben und das Fach dazu eingerichtet. Im Moment haben wir sehr große Klassen, das ist in dieser Hinsicht ein großer Vorteil, denn: an der Schülerzahl hängt die Lehrerstundenzahl. Je mehr Schüler wir haben, desto mehr Lehrer haben wir, die wir für ebenjene Projekte einsetzen können. Dabei lassen wir allerdings keine der Stunden ausfallen, die sonst auch gegeben werden. Wir haben keine Sportstunde gestrichen, wir haben keine Deutschstunde gestrichen. Trotzdem können wir das Fach „Medien“ anbieten, in Klasse 1 und 2 sogar in Doppelbesetzung mit zwei Lehrkräften.
Sie haben hier Wlan in der Schule und sind auch mit Hardware top ausgestattet.
Klaas Bröcker: Das stimmt, wir befinden uns in einer Luxus-Situation. Es ist ein langer Weg, bis man da ist, wo wir jetzt sind. Wir haben einen aktiven Förderverein, der von den Eltern gut unterstützt wird, für den wir aber auch Sponsorenläufe und ähnliches organisieren. Außerdem haben wir einen Träger, der sich nicht lumpen lässt. Die Stadt Bargteheide ist schuldenfrei und hat sich selbst zum Ziel gesetzt, eine familienfreundliche Stadt zu sein. Sie investiert in die Schulen und in die Medienausstattung. Wenn bei uns hier ein Rechner nicht funktioniert, dann habe ich als ‚Vor-Ort-Verantwortlicher‘ eine To-Do-Liste, was ich ausprobieren soll und wenn das nicht klappt, rufe ich den Spezialisten von der Stadt an, der uns betreut.
Ist Ihr Kollegium denn besonders technikaffin?
Klaas Bröcker: Nein, überhaupt nicht. Das ist ein stinknormales Kollegium. Und wir haben auch die drin, die sagen: Ich bin Computerlegastheniker. Aber auch die sind bereit, es auszuprobieren. Und mit Unterstützung geht das dann. So etwas lebt ja nur durch Engagement über den normalen Unterricht hinaus. Uns allen sind die Vorteile beim Unterrichten sehr bewusst, was wir für Synergieeffekte schaffen, wenn wir Medien nutzen – auch beim Lernen.
Und wie reagieren die Eltern auf Digitale Medien in der Grundschule?
Klaas Bröcker: Anfangs hatten wir viele Diskussionen und Ängste bei den Eltern à la: Jetzt sitzen die die ganze Zeit vorm Computer. Aber die Kinder gehen Zuhause mit allen digitalen Medien um, häufig leider unreflektiert. Bei unseren Elternabenden zum Thema Medienbildung merken wir oft, dass es viele Eltern gibt, die sehr, sehr unsicher im Bereich Medien und auch Handy sind. Die wissen nicht: Wie kann ich das Handy meines Kindes sichern? Was muss ich tun, um Nutzungsabsprachen zu treffen? Was ist Cybermobbing? Den meisten Eltern ist nicht klar, was ihre Rechten und Pflichten sind.
Dass es nämlich ihre Pflicht ist, das Handy ihrer Kinder in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, um auf unerlaubte Sachen hinweisen zu können oder um einfach zu sehen, auf was für Seiten sich das Kind bewegt. Es ist ihre Pflicht, ihr Kind aufzuklären und festzuhalten, dass sie keine Sachen verbotenerweise runterladen dürfen. Sie dürfen keine Filme tauschen. Das wissen viele nicht.
Deswegen ist diese Art der Aufklärung wichtig. Genauso wie wir früher aufgeklärt haben: Lasst euren Drachen nicht in der Nähe von Hochspannungsmasten steigen, klären wir jetzt über Medien auf.