Wie begeistert man Mädchen für Informatik?
Digitalexpertin Theresa Grotendorst erklärt, wie Mädchen ihren Weg zur Informatik finden und wie vor allem Eltern sie dabei unterstützen können.
Theresa Grotendorst ist als Trainerin und Beraterin im Bereich „Digitale Bildung“ in Hamburg tätig. Sie ist Gründerin von FOBIZZ, einer digitalen Weiterbildungs-plattform für Lehrkräfte rund um Medienbildung und Digitalisierung und unterstützt unter anderem Initiativen wie die Code Week Hamburg oder Jugend hackt.
scout: Frau Grotendorst, Sie geben Programmier-Workshops für Kinder und Jugendliche, bilden Lehrer fort und koordinieren Veranstaltungen und Projekte rund ums Thema Digitalisierung. Wie führte Ihr Weg in den IT-Bereich?
Grotendorst: Ich war schon immer ein Computerkind, wir hatten in der Familie sehr früh Internet und ich hatte eigentlich schon immer ein technisches Interesse.
Ich habe Technische Redaktion und Informationstechnologie studiert, das hatte neben Informatik auch viele Multimediaanteile. Während des Studiums habe ich gemerkt, dass mir die Informatikanteile, wie z.B. Datenbankentwicklung, am meisten Spaß machen. Nach dem Studium hab´ ich dann angefangen als IT-Beraterin zu arbeiten und mich später als Trainerin und Beraterin selbstständig gemacht.
scout: Frauen sind in der IT, im Studium und in den Unternehmen, unterrepräsentiert. Sie setzen sich gezielt für die frühe Förderung von Mädchen ein. Warum finden Sie es wichtig, Mädchen besonders zu unterstützen?
Grotendorst: In meinem Berufsleben als IT-Beraterin war ich oft die einzige Frau in großen Entwicklerteams und hatte kaum Kolleginnen. Das konnte ich nicht nachvollziehen, weil der Job sehr viel Spaß bringt. Viele Frauen finden erst über Umwege in die IT-Branche, weil ihr technisches Interesse nicht erkannt wird oder dies nicht so gefördert wird, wie das bei Jungs oftmals der Fall ist. Sie merken dann erst spät, dass ihnen dieser Bereich sehr liegt. Das muss sich ändern. Deshalb möchte ich besonders Mädchen schon früh für Informatik begeistern.
scout: Wie gelingt das?
Grotendorst: Gerade junge Mädchen begeistern sich für Informatik und Programmierung, wenn sie merken, dass man eigene Ideen kreativ umsetzen kann.
Allerdings unterschätzen viele junge Mädchen leider immer noch ihre Fähigkeiten in diesen Bereichen. Ich möchte ihnen zeigen: Das ist kein Hexenwerk, das ist nicht kompliziert, ihr könnt es auch! Natürlich bestehen auch immer noch Vorurteile. Heutzutage hat Informatik und Programmierung aber sehr viel mit Teamarbeit zu tun. Es ist ein kreativer Prozess, in dem ein digitales Produkt entsteht.
Sobald Mädchen das merken, sind sie mit Begeisterung dabei. Oft ist es auch hilfreich, wenn man das Endprodukt mehr in den Fokus stellt und die Technologie mehr als Mittel zum Zweck sieht, um ein tolles digitales Produkt zu gestalten. Zum Beispiel um eine Webseite zu bauen, eine App zu programmieren oder ein Computerspiel zu entwickeln. Das ist immer ein schönes Aha-Erlebnis. Das muss man den Mädchen manchmal ein bisschen mehr aufzeigen als den Jungs.
Gerade junge Mädchen begeistern sich genauso für Informatik und Programmierung, wenn sie merken, dass man eigene Ideen kreativ umsetzen kann.
scout: Gibt es Ihrer Meinung nach Kompetenzen, die zum Programmieren wichtig sind, die Mädchen haben - Jungs nicht so?
Grotendorst: Ich glaube, die Unterschiede sind gar nicht so groß. In der Informatik geht es ganz viel um logisches Denken und Problemlösen. Gerade Mädchen sind sehr gut im kreativen Problemlösen, bleiben oft auch hartnäckiger an einer Sache dran, bis sie sie gelöst haben. Aber Mädchen und Jungen bringen natürlich auch einfach andere Perspektiven in die digitale Produktentwicklung mit ein, deswegen haben gemischte Teams oft die besseren Ideen und Lösungen. Ich habe gemerkt, dass Mädchen sich oft nicht nur mit der technischen Funktionsseite beschäftigen, sondern sich auch für die soziale und ethische Dimension der Technik interessieren. Und oftmals auch den Nutzer, den Endanwender, mehr im Blick haben.
scout: Welche Empfehlung haben Sie für Eltern, die ihre Töchter unterstützen möchten, den Bereich der Informatik besser kennenzulernen oder ins Programmieren einzusteigen?
Grotendorst: Eltern sollten die Interessen ihrer Kinder immer fördern – egal ob Mädchen oder Junge. Im Bereich Programmierung, aber auch im Tüfteln mit Hardware, von 3D-Drucken bis hin zum Basteln von Virtual-Reality-Brillen gibt es zahlreiche außerschulische Angebote in und um Hamburg, natürlich auch bundesweit. Ich finde es wichtig, spielerisch an dieses Thema heranzuführen und erst einmal ganz der Neugierde der Kinder zu folgen. Kinder interessieren sich vielleicht nicht unbedingt für einen Workshop, der da heißt „Lerne die Programmiersprache Python“. Kinder sind aber begeistert von Angeboten, wie „Wir bauen eine Webseite!“, „Programmiere dein eigenes Computerspiel!“ oder „Wir entwickeln zusammen eine App!“.
scout: Außerschulisch wird viel getan, den Kindern und Jugendlichen ein Grundverständnis von Computern zu vermitteln. Schulen sind da eher zurückhaltend. Welche Unterstützung wünschen Sie sich?
Grotendorst: Es wäre natürlich sehr wünschenswert, wenn Medienbildung und Digitalisierung auch fächerübergreifend in der Schule mehr thematisiert werden. In diesem Bereich bin ich selber auch mit meinem Startup FOBIZZ aktiv. Das ist eine Online-Plattform, auf der sich Lehrkräfte im Bereich Digitalisierung, Informatik und Medienbildung weiterbilden können. Lehrkräfte sind definitiv die wichtigsten Multiplikatoren, wenn es darum geht, ein digitales Grundverständnis zu schaffen und für Informatik zu begeistern. Aber man darf die Schulen und die Lehrkräfte auch nicht alleine lassen. Sie müssen qualifiziert und weitergebildet werden. Ich wünsche mir, dass da mehr passiert, damit Angebote langfristig auch in der Schule verankert werden. Aber auch wenn es noch ein langer Weg ist, gibt es bereits viele tolle, engagierte Lehrkräfte in diesem Bereich.