Mit iPads im Grundschul-Zirkus
Wissenschaftler der Universität Hamburg wollen wissen, ob und wie digitale Medien im Grundschulunterricht sinnvoll eingebunden werden können. Das Forschungsprojekt „Digitales Lernen in der Grundschule“ soll Konzepte für den produktiven Einsatz digitaler Medien im Grundschulunterricht entwickeln. Prof. Dr. Claus Krieger gehört zum interdisziplinären Team der Universität Hamburg und berichtet von seinen ersten Eindrücken und den Zielen der Forscher.
Prof. Krieger, welchen Beitrag leistet die Universität Hamburg im Rahmen der Studie „Digitales Lernen in der Grundschule“ und welche Fachbereiche sind daran beteiligt?
Prof. Krieger: Die Uni Hamburg ist neben fünf anderen Hochschulen bundesweit für die Teilnahme am Projekt von der Telekom Stiftung ausgewählt worden. Sie sollen Wege suchen, um Grundschullehrkräfte entsprechend aus- und fortzubilden. Vorgabe war, dass es Kooperationen und Unterrichtsideen aus Medienpädagogik, Informatik und unterschiedlichen Fächern geben muss, die dann entwickelt, durchgeführt und evaluiert werden sollen. In der Grundschule Rellinger Straße und Alter Teichweg in Hamburg sind die Fächer Mathematik, Deutsch, Sachunterricht und Sport beteiligt. Wir testen beispielsweise fachspezifische Apps, gehen mit „Educaching“ auf eine Art moderne GPS-Schnitzeljagd mit fächerübergreifenden Aufgaben oder lassen „hypermedial“ von Kindern eine Internet-Fortsetzungsgeschichte schreiben und lesen. Es findet auch ein regelmäßiger Austausch zwischen den beteiligten Hochschulen statt.
Sie sind von Haus aus Sportpädagoge. Erklären Sie uns, welche Rolle digitale Medien zum Beispiel im Sportunterricht an der Grundschule spielen können?
Prof. Krieger: Wenn man genauer hinsieht, haben Medien im Sportunterricht schon immer eine große Rolle gespielt. Denken Sie an Bildtafeln mit Sequenzen, in denen Bewegungen veranschaulicht werden. Durch digitale Medien haben wir noch einmal vereinfachte und erweiterte Möglichkeiten. Außerdem wollen wir heute einen mehrperspektivischen Sportunterricht. Das heißt, es geht natürlich um sportliche Leistungen, aber auch um Miteinander und Kooperation, um Sinneseindruck, Ausdruck, Gestaltung, Wagnis und Gesundheit. Für diese Dimensionen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sportunterrichtliches Lernen mit digitalen Medien zu unterstützen.
Geben Sie uns ein Beispiel?
Prof. Krieger: Eine erste Klasse hat im Sportunterricht das Thema Zirkus. Mit den Schülern sollen dabei, unterstützt von iPads, kleine Bewegungskünste erarbeitet werden. Videos aus dem Netz, Bilder und von Studierenden selbst gedrehte Sequenzen veranschaulichen die Tricks, die geübt werden sollten. Das hat wunderbar funktioniert. Die Erstklässler haben alles ausprobiert und sich inspirieren lassen. In der dritten Stunde haben sie sich schon das Tablet geschnappt, sind auf die Videofunktion gegangen und haben sich gegenseitig aufgenommen. Wir haben keine Schwierigkeiten bei der Gerätebedienung erkennen können.
Ich glaube, es ist schon typisch für einen Großteil der Grundschullehrkräfte, dass sie sich noch nicht vorstellen können, welche Funktionen digitale Medien überhaupt im Grundschulunterricht haben können.
Sie haben zwar gerade erst mit dem Projekt begonnen, aber was sagen denn die Lehrkräfte zu Ihren Projektansätzen?
Prof. Krieger: Die Schulleitungen und ein, zwei Lehrkräfte tragen das Projekt in die Breite des Kollegiums. Wir treffen dabei auch vereinzelt auf Skepsis. Ich glaube, es ist schon typisch für einen Großteil der Grundschullehrkräfte, dass sie sich noch nicht vorstellen können, welche Funktionen digitale Medien überhaupt im Grundschulunterricht haben können. Die Befürchtung ist, dass durch digitale Medien wertvolle Unterrichtszeit und die Konzentration auf andere Inhalte verloren gehen.
Können Sie diese Befürchtungen entkräften?
Prof. Krieger: Wir möchten beweisen, dass ein Projekt Sinn macht und ein Mehrwert möglich ist. Ich habe zum Beispiel gerade erst gestern zwei völlig unterschiedliche Unterrichtsstunden gesehen. Eine davon war die „Zirkusstunde“ – sie würde ich als Paradebeispiel bezeichnen, weil man völlig unauffällig digitale Medien in den Unterricht eingebunden und einen hohen Nutzen erzielt hat. In der anderen Stunde wirkte das Medium tatsächlich eher hineingeworfen. Das Know-how der Lehrkräfte war nicht ausgeprägt, die Stunde didaktisch nicht bis ins Detail durchdacht. Wenn auf dem Tablet nur ein Text und ein Bild zu sehen sind, dann könnte man da auch einen Zettel hinlegen.
Das heißt, digitale Medien sind auch eine besondere Herausforderung für die Aus- und Weiterbildung?
Prof. Krieger: Ja, wir machen mit den Lehrkräften an den beiden beteiligten Schulen auch eine Weiterbildung. Keine fachspezifische, sondern eine allgemeine, mediendidaktische Einführung, auch um die Angst vor der Technik zu nehmen. In der Lehrerausbildung muss an diesem Punkt ebenfalls angesetzt werden. Im nächsten Semester werde ich selbst bereits ein komplettes Seminar zu dem Thema anbieten. Das geht dann von der Theorie über die Konzipierung von Unterrichtseinheiten bis hin zur Erprobung vor Ort.
Blicken wir voraus. Erleben wir das Ende der Kreidezeit, oder werden iPad, Laptop oder Smartboard weiterhin eine Ausnahme in der Grundschule bleiben?
Prof. Krieger: In Deutschland geht diese Veränderung langsam und träge vor sich. Es wird Schulen geben, die bewusst keine digitalen Medien wollen. Aber früher oder später wird das auch bei uns kommen, so wie heute schon in vielen anderen Ländern. Ich habe in der Familie kürzlich eine Austauschschülerin aus England gehabt, die war völlig schockiert, dass es selbst am Gymnasium nur zwei, drei Smartboards gibt. In England sind Schulen flächendeckend so ausgestattet. Die Ängste, etwa beim Thema Datenschutz, sind bei uns groß, aber ich bin sicher, eine neue Generation an Lehrkräften wird das relativieren. Sonst würde ich das Forschungsprojekt auch nicht machen.
Zur Person
Prof. Dr. Claus Krieger (44) ist Erziehungswissenschaftler mit Schwerpunkt in der Didaktik von Bewegung, Spiel und Sport an der Universität Hamburg. Er beschäftigt sich mit der Verbesserung des Sportunterrichts und gehört zum Team der Uni Hamburg, das sich an der bundesweiten Studie „Digitales Lernen in der Grundschule“ beteiligt.