Kleine Programmierer
Die Emil-Nolde-Grundschule in Bargteheide hat für das Thema Medienkompetenz ein eigenes Unterrichtsfach eingerichtet. Neben den alten stehen hier auch die neuen Medien auf dem Stundenplan. Einfache Internetrecherche oder Programmieren mit Lego gehören dazu. Die Schüler freuen sich die ganze Woche darauf.
„Frau Aust, dürfen wir reinkommen?“ Die Kinder der 3a hüpfen vor dem PC-Raum aufgeregt auf und ab. „Ey, noch nicht reingehen“, weisen sie sich gegenseitig zurecht und warten gut erzogen auf den Startschuss ihrer Lehrerin Andrea Aust. Ungeduldig beobachten sie, wie ihre Grundschullehrerin prüft, ob die Lego-Software auf allen Rechnern läuft. Dann geht’s endlich los. „Danke!“, rufen Laure (9) und Alex (8) gleichzeitig, als Frau Aust ihnen am Materialschrank den halbfertigen Lego-Torwart und den dazugehörigen Baukasten aushändigt. Zusammen besetzen die beiden Schüler schnell „ihren“ Computer.
Konzentriert und teamorientiert
Am Arbeitsplatz der kleinen Programmierer herrscht konzentrierte Arbeitsstimmung. Laure hat am PC die Software gestartet, die zum Einsteigerset „Lego Education WeDo“ gehört. „Die Bauanleitung zeigt genau, welchen Lego-Stein wir jetzt brauchen“, erklärt er und klickt auf den Pfeil, der zum nächsten Schritt führt. Laure und Alex sind ein eingespieltes Team. Alex sucht die richtigen Steine aus dem Baukasten. „Man muss genau aufpassen, ob der Stein zwei oder vier Augen hat, sonst funktioniert es später nicht mit dem Programmieren“, erklärt er. Laure baut es zusammen. Mit einem Blick sehen die beiden, was gefragt ist. Die Anleitung ist gezeichnet und funktioniert ohne Text. Nach wenigen Minuten haben die beiden Lego-Experten ein Tor zusammengebaut, einen Sensor installiert und den Torwart aufgestellt. „Jetzt verbinden wir das Modell mit dem USB-Anschluss“, fachsimpelt Laure. Allerdings erst auf Nachfrage, denn eigentlich wollen die NachwuchsNerds nicht gestört werden.
Kicken und diskutieren
„Wir haben Lego auch zu Hause“, erklärt Alex. „Aber damit programmieren – das machen wir nur hier in der Schule.“ Als der Torwart am PC hängt, setzen sie den Code zusammen. „Hier unten gibt es eine Palette mit Funktionen“, erklärt Laure. Er zeigt auf ein grünes Symbol mit Pfeil. „Das bedeutet ‚Motor andere Richtung‘.“ Andere Icons stehen für die Leistungskraft des Motors, Geräusche und andere Funktionen. „Mit der Maus zieht man das in die richtige Reihenfolge, dann macht man eine Klammer drum und schreibt rein, wie oft er das wiederholen soll“, erklärt Laure das Drag-and-drop-Prinzip.
Diese Art der Programmierung ist zwar kinderleicht, aber keineswegs unprofessionell. Sie basiert auf der Methode LabVIEW, mit der auch viele Ingenieure arbeiten. Die Programmierung erscheint nicht als Code, sondern wird in kleinen grafischen Arbeitsschritten umgesetzt. Aber solche Hintergründe interessieren Laure und Alex derzeit noch nicht. Sie wollen schnell ihren Lego-Torwart zum Laufen bekommen. Doch das klappt noch nicht. Laure berät sich mit Alex, der das ganze Programm in- und auswendig kennt. Sie versetzen einen Lego-Stein, und plötzlich erwacht der künstliche Manuel Neuer zum Leben. Die Jungs zerknüllen eine Seite aus dem Schulblock zum Papierball und schnippen ihn aufs Tor. „Yippie!“, jubeln sie, als es funktioniert: Der eingebaute Sensor erkennt den Ball, der Motor bewegt den Torwart und verschließt das Tor – weil die Jungs ihn richtig programmiert haben. „Gehalten!“, ruft Alex stolz. Über die angeschlossenen Kopfhörer hört man ein virtuelles Publikum jubeln.
Kinder lernen Problemlösungskompetenz
Ohne die Kopfhörer wäre es ganz schön laut im Klassenraum, denn Fußballjubel oder Krokodilgeräusche gehören zu den Lego-Figuren, die von den Schülern zum Leben erweckt werden. „Wir haben klare Regeln im PC-Raum, die lernen die Kinder schon ab der ersten Klasse“, erklärt Lehrerin Andrea Aust. Ab Klasse 1 erhalten die Schüler der Emil-Nolde-Grundschule einen „Medienpass“, in dem ihre Lernfortschritte und Medienkompetenzen festgehalten werden. „Früher wurde das Programmieren mit Lego nur als AG mit den besonders begabten Schülern durchgeführt. Heute machen wir das mit jeder dritten Klasse“, berichtet Andrea Aust begeistert. „Ich bin überzeugt von diesem Ansatz, denn die Kinder lernen nicht nur Programmieren, sondern auch Teamwork und Problemlösungskompetenz. Ich helfe nur, wenn die Technik hartnäckig spinnt. Meistens finden die Kinder selbst die Lösung.“
Die Lehrerin ist mittlerweile eine echte Technikexpertin. Fehler bei Bau und Programmierung der Lego-Figuren erkennt sie auf den ersten Blick. „Das System ist eigentlich selbsterklärend. Ich bin auch kein Nerd, kein Computerfreak, aber diese Art der Programmierung haben wir uns selbst beigebracht, Learning by Doing“, erläutert die 50-Jährige. Das gesamte Kollegium unterrichtet übrigens das Fach „Medien“. Alle helfen sich gegenseitig, weil ihnen das Thema am Herzen liegt. Die Kinder sollen fit sein für die Zukunft.
Und das bedeutet nicht, dass die herkömmliche Grundschule ausgedient hat. Wenn der PC-Unterricht vorbei ist, schießen Laure und Alex weiter Tore – ganz traditionell und offline, auf dem Pausenhof.