„Kinder sollen Produzenten sein, keine Konsumenten.“
Die Pädagogin Julia Zdrenka arbeitet für den Kieler Kita-Träger „Pädiko e.V.“. Sie spricht darüber, wie digitale Medien ganz selbstverständlich in den Lernalltag von Kitakindern integriert werden können.
Julia Zdrenka hat bis Ende 2019 die Kita „Colorito“ in Kiel geleitet und das dortige Medienatelier federführend aufgebaut. Seit Anfang des Jahres arbeitet sie als Fachberaterin im Bereich Qualitätsentwicklung bei „Pädiko e.V.“.
scout: Seit wann gibt es Medienerziehung in der Kita Colorito?
Julia Zdrenka: Seit mittlerweile vier Jahren, den Anstoß hat damals eine Studienreise nach Norditalien gegeben. Die Kitas unseres Trägers „Pädiko“ haben sich der Reggio-Pädagogik verschrieben, die aus der Stadt Reggio Emilia stammt. Da steht das selbstlernende Kind im Mittelpunkt. Wir waren überrascht und begeistert, wie dort die digitalen Medien für kreative Prozesse genutzt wurden. Die Pädagog*innen aus Reggio machen das schon seit den späten 1990er-Jahren!
Was ist denn der Fokus dieser Medienarbeit mit Kindern?
Wir sehen sie als Teil der ästhetischen Bildung, nebenanderen wie Tanz, Theater oder Musik. Überall dort können digitale Medien eingebunden werden. Und ein wichtiges Prinzip lautet: „Kinder sollen Produzenten sein, keine Konsumenten.“
Die Kinder sollen erfahren, dass sie selbst bestimmen können, was in ihren Medien passiert.
Und wie haben Sie konkret begonnen?
Wir haben in der Kita Colorito einen Raum als Medienatelier hergerichtet. Dafür haben wir, zusammen mit den Kindern, einzelne Medien – also Geräte –gründlich ausprobiert und geschaut, was sie uns kreativ bringen. Ein Gerät, das kaum Geld kostet, aber viel bringt, ist ein digitales Mikroskop: Damit schauen wir uns Materialien an, zum Beispiel Stoffe. Oder arbeiten damit, wenn wir ein Projekt zum Thema Farben machen. Ansonsten gibt es ein ganzes Potpourri an Medien, die genutzt werden können – Digitalkamera, Laptop, Drucker, ein Diktiergerät zum Aufnehmen von Geschichten, die die Kinder erzählen. Und eine Webcam, mit der wir Bewegung und Tanz aufnehmen und direkt per Beamer zeigen.
Sind auch Smartphones dabei?
Smartphones nutzen wir ausschließlich zum Dokumentieren unserer pädagogischen Arbeit, das heißt, um Foto-, Video- und Tonsequenzen aufzunehmen. Diese Smartphones schaffen wir speziell für die Kita an, sie enthalten keine SIM-Karte, sondern dienen nur den beruflichen Zwecken. Die Kinder selber arbeiten in der Regel mit Digitalkameras und Diktiergeräten.
Und wie sieht es mit Tablets aus?
Tablets nutzen wir bisher noch nicht. Wir haben intern noch nicht ausreichend Zeit gefunden, um uns mit den Möglichkeiten und Potenzialen, insbesondere was die kreative Arbeit mit diesem Medium angeht, auseinanderzusetzen. Dies wollen wir in einer Arbeitsgruppe gemeinsam mit pädagogischen Fachkräften aus den Einrichtungen tun. Denkbar ist auch, in der Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Kita Apps für die Kommunikation zu nutzen. Aber auch hier diskutieren wir noch über Vor- und Nachteile.
Medien anzuschaffen kostet einiges Geld – oder?
Wir haben zweimal gut dotierte Medienkompetenzpreise gewonnen …
Was braucht man, um gute Medienerziehung in Kitas zu machen?
Mitarbeiter*innen, die Lust drauf haben! Damit fängt alles an, denn es steht und fällt mit dem Team.
Wie sehen die Medienprojekte konkret aus, mögen Sie ein Beispiel schildern?
Wir haben ein Projekt zu Kirchengebäuden gemacht, das war eine Idee, die aus der Gruppe der Kinder kam. Dafür haben wir erst einmal Kirchen besucht. Dabei waren die Kinder ganz besonders von den Fenstern angetan, die fanden sie richtig schön. Die haben wir dann fotografiert und in der Kita mit dem Beamer angeschaut. Dann haben die Kinder die Fenster erst einmal nachgezeichnet, später mit farbigem Recycling-Material nachgelegt, wie ein Puzzle. Das zeigt: Medien sind immer nur ein Teil des kreativen Prozesses. Aber einer, der wichtig ist und Spaß macht. Eigentlich läuft es immer so: Wir erforschen eine Frage, die Medien unterstützen uns dabei. Zum Beispiel: Was ist der Unterschied zwischen Pink und Rosa? Dafür haben wir die Farben „in echt“ angemischt, aber auch verschiedene Gegenstände in der Kita fotografiert und die Farben verglichen.
Wann fängt Medienerziehung bei Ihnen an?
Digitale Medien sind wahnsinnig präsent! Wir sehen ja immer wieder, dass Zweijährige, die von ihren Eltern abgeholt werden, gleich das iPad hingehalten bekommen. Die eigentliche Medienarbeit geht bei uns aber von drei bis sechs Jahren. Bei einem Fotoprojekt können aber auch schon Jüngere mitmachen und so ihren Eindrücken mithilfe der digitalen Medien Ausdruck verleihen.
Haben Sie sich zu Beginn auch externe Unterstützung in die Kita geholt?
Die Studienreise nach Norditalien hat ja externen Input geliefert, wir haben uns später aber auch vieles selbst erarbeitet. Wir haben zwei Expertinnen, die sich zum Beispiel beim Offenen Kanal in Kiel weitergebildet haben. Und wir haben uns auch Kitas in Dänemark und Schweden angeschaut: wie sehr die digitalisiert sind – und ob wir das auch wollen.
Wie war da Ihre Erfahrung?
Was die Kommunikation mit den Eltern betrifft, gehen insbesondere die Schweden schon sehr weit: Die Eltern loggen zum Beispiel die Kinder am Kita-Tablet ein und aus und reden dann oft gar nicht mehr mit den Erzieher*innen. Das sehe ich kritisch: Die „Tür-und-Angel“-Kommunikation bleibt nach meiner Erfahrung weiterhin sehr wichtig. Wir schauen uns trotzdem verschiedene solcher Organisationsapps an, die den Alltag sehr erleichtern können. Letztendlich haben wir uns aber noch nicht entschieden.
Wie wird die digitale Medienerziehung von den Kindern aufgenommen?
Super, das Feedback ist durchweg positiv.
Die Kinder lieben es, damit intensiv an einem Thema zu arbeiten, das sie gerade brennend interessiert.
… und wie von den Eltern? Gab es Widerstände?
Wir haben ein weites Einzugsgebiet, verschiedenste Milieus, unterschiedliche Kulturen. Trotzdem sind alle Eltern mitgegangen. Wir haben unsere Ideen und Vorhaben aber auch frühzeitig und offen mitgeteilt. Der Träger „Pädiko“ betreibt 20 Kitas, jetzt wollen wir das Medienkonzept langsam, aber sicher in alle Einrichtungen bringen.
Das klingt alles sehr positiv. Wo ist denn da ein Haken?
Zeit und Aufwand sind sicher kritische Themen. Problematisch wird es, wenn das Personal wechselt, das die Medienerziehung vorangetrieben hat. Insgesamt fühlen sich Erzieher*innen auch vielen anderen drängenden Anforderungen gegenübergestellt. Da sagt man dann vielleicht: „Medienerziehung? Machen wir später!“
Würden Sie sich Vorgaben vom Land zur Medienarbeit wünschen?
Absolut, aber damit machen wir jetzt ein ganz schön großes Fass auf. Medienarbeit sollte aber auf jeden Fall verbindlicher verankert sein.