Interview zu Medienerziehung in der Ausbildung

„Erzieher*innen in der Ausbildung zeigen 99 Prozent Enthusiasmus“

Angélique Zboralski, Lehrerin an der FSP 2-Fachschule für Sozialpädagogik in Hamburg sagt: „Für Medienerziehung in der Kita brauchen Erzieher*innen Willen und Vertrauen.“

Angélique Zboralski ist Lehrerin für Medienerziehung, Sprache und Kommunikation an der FSP2-Fachschule für Sozialpädagogik in Hamburg.

scout: Welchen Stellenwert nimmt Medienerziehung derzeit in der Ausbildung von Erzieher*innen und Sozialpädagogischen Assistent*innen ein?

Angélique Zboralski: Laut Stundentafel müssen alle Schüler*innen der dreijährigen Erzieher*innen-Ausbildung unserer Schule verbindlich 80 Stunden „Medienkompetenz fördern“ Das ist nicht sehr viel – während der dreijährigen Ausbildung fallen rund 2.800 Unterrichtsstunden an. Wer sich fürs Thema interessiert, kann einen halbjährigen Vertiefungskurs mit vier Stunden pro Woche wählen – das wären dann weitere 80 Stunden. In dieser Zeit werden praktische Projekte geplant, durchgeführt und danach überprüft.

Was müssen denn alle – also auch diejenigen, die sich gegen die Vertiefung entscheiden – verbindlich lernen?

Sie lernen, was Medienkompetenz ist, welche Dimensionen es gibt und wie man diese Erkenntnisse in die Kitas trägt. Sie müssen in einem Semester eine konkrete Fragestellung erarbeiten: „Inwiefern wirkt sich Fernsehen – am Beispiel der Teletubbies – auf die Sprachentwicklung von Kindern im Alter von null bis drei Jahren aus?“, das wäre ein Beispiel. Da kommt eine große, bunte Menge von Themen zusammen, die gemeinsam erarbeitet werden. In einem weiteren Semester gilt es, eine Medienproduktion – ein Hörspiel oder einen Stop-Motion-Film – von Anfang bis zum Ende mit Kindern zu entwickeln.

Rechnen wir da richtig: Medienerziehung ist in zwei von sechs Semestern fest verankert und …?

… ist das nicht ein bisschen wenig? Ja, das denken wir uns auch immer wieder. Letztlich gibt diese Grundausbildung doch nur Einblicke in einzelne Thematiken. Allerdings ist die Medienerziehung nur ein Feld neben anderen wichtigen auszubildenden Kompetenzen. Wer wirklich fit im Thema sein will, muss sich aufgrund persönlicher Ambitionen eigenständig damit beschäftigen. Diese Schüler*innen brauchen eine Affinität zum Thema – und dazu Willen und Vertrauen, das dann auch umzusetzen.

Wieso Willen und Vertrauen?

Wenn unsere Schüler*innen Projekte umsetzen wollen in ihren Kitas, sind Widerstände nicht die Ausnahme. Oft ist kein Geld da für Ausrüstung. Erst kommt das Klettergerüst, das Digitale eigentlich immer zuletzt. Es würden auch immer noch viele Einrichtungen gerne medienfrei bleiben. Wenn dann aber erst einmal verstanden wird, dass nicht die Medien im Mittelpunkt stehen, sondern die behandelten Themen, dann gibt es in den Kitas regelmäßig Aha-Erlebnisse: Wenn wir Medien richtig einsetzen, gibt es viel mehr soziale Interaktion. Es wird mehr geredet, mehr ausgehandelt. Das Tablet ist schnell gar nicht mehr im Mittelpunkt.

Ein Beispiel aus der Praxis? Ein Schüler stellte fest, dass die Kinder aus der Kita ständig mit imaginären Lichtschwertern hantierten. Die älteren Erzieher*innen fanden das schrecklich und wollten es verbieten: „Die kämpfen ja nur!“ Der Schüler war aber quasi direkt aus dem Medienunterricht gekommen und sagte: „Moment, das ist doch die Chance, ins Gespräch zu kommen mit den Kindern. Über etwas, das sie offensichtlich bewegt.“ Natürlich ging es um Star Wars, und es stellte sich heraus, dass viele Kinder das nur vom Hörensagen kannten, aber begeistert in dieser Fantasiewelt aufgingen. Daraus wurde dann ein riesengroßes Projekt, bei dem Star Wars als modernes Märchen unter die Lupe genommen wurde: Welche Helden gibt es, was machen sie? Schließlich mündete alles in ein Filmprojekt. Die Kinder wollten aber unbedingt ein Happy End – also wurde die Geschichte auch noch umgeschrieben. Das war wirklich grandios!

Haben denn alle Schüler*innen Lust auf Medienerziehung?

Die finden es zum absoluten Großteil richtig wichtig, sind angetan von den Möglichkeiten. Ich sage mal: 99 Prozent Enthusiasmus! Da liegt unsere große Hoffnung, dass auch dieses Thema sein Happy End bekommt!


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