„Doch, da sprechen wir jetzt drüber!"
Ich bin im Nordirak aufgewachsen und zur Schule gegangen und mit 16 nach Deutschland gekommen. Als ich elf war, hat meine Mum mich ein bisschen auf die Periode vorbereitet, damit ich mich nicht erschrecke, wenn ich meine Tage kriege. Aber das war auch das Einzige.
In der Grundschule bin ich gar nicht aufgeklärt worden. Erst in der 9. Klasse habe ich ein bisschen mehr über den Körper erfahren, zum Beispiel über die Regelblutung oder Geschlechtsverkehr. Aber es kam auch vor, dass ein männlicher Lehrer sich nicht traute, das Thema in einer reinen Mädchenklasse zu besprechen. Dann wurden ganze Kapitel in den Biologiebüchern einfach ausgelassen…
Aufklärung über Sexualität ist in meinem Kulturkreis mehr oder weniger tabu. Das wird einfach totgeschwiegen, und wenn man sich nicht selber um Informationen kümmererfährt man nichts. Ich habe aber zum Glück viele Cousinen, von denen ich das meiste erfahren habe, gerade im Teenie-Alter. Da war immer eine, die mehr wusste als ich. Dieser Austausch war wirklich sehr hilfreich. Aber eigentlich wäre Aufklärung zuerst die Aufgabe der Eltern, oder?
Was ich nicht so gut finde: dass Kinder schnell auf irgendeiner Pornoseite landen können. Diese Seiten sollten einen Code haben, sodass man da nicht draufkommt, wenn man unter 18 ist.
Man sollte auch mit Kindern besprechen, was alles in den sozialen Medien vorkommen kann, bevor man ihnen ein Handy in die Hand drückt. Wenn man zum Beispiel auf Snapchat ein öffentliches Profil hat, bekommt man oft Bilder von Fremden geschickt, die man wirklich nicht sehen möchte. Ich habe auf Snapchat anfangs ganz viele Dick Pics bekommen oder komplett verstörende Videos. Und wenn ein neunjähriges Kind so was bekommt, kann das sehr belastend sein. Deshalb ist die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern ganz, ganz wichtig!
Meine Brüder sind zehn und acht Jahre alt, und manchmal versuche ich ganz neutral, das Thema bei ihnen anzuteasern, damit es für sie normal wird und sie nicht komisch auffallen, wenn in der Schule darübergeredet wird. Ich versuche auch, mit meinem Körper ganz normal umzugehen, mich nicht zu verstecken und meinen Brüdern zu zeigen: Ich bin auch ein Mensch! Ich habe denselben Körper – nur etwas anders strukturiert.
Meine Brüder sagen dann meistens „Mama hat gesagt, darüber spricht man nicht!“ Aber ich antworte einfach: „Doch, wir sprechen da jetzt drüber!“