Bildung nur mit Medien!
TV, Zeitung, Social Media und Co. sind nicht nur Konsumgüter. Katja Friedrich von der Initiative „Keine Bildung ohne Medien“ erklärt, warum sie für alle Altersgruppen wichtig sind.
Frau Friedrich, stimmt es wirklich, dass es ohne Medien keine Bildung gibt?
Neulich wurde ich gefragt, ob „Keine Bildung ohne Medien“ nicht ein völlig sinnloser Slogan sei. Schließlich seien ja auch Schiefertafeln Medien, also gingen Medien und Bildung schon immer Hand in Hand. Das ist natürlich richtig, aber uns geht es um die Neuen Medien. Wenn Sie sich die Welt der Kinder und Jugendlichen angucken, dann wachsen die in und mit diesen Medien auf, sie kommunizieren und leben damit. Deshalb muss Pädagogik auch immer ihren Alltag in den Unterricht holen.
Aber sind Medien nicht längst Teil des Schulalltags? Die Kinder recherchieren für ihre Hausaufgaben im Netz, und viele Schulen sind heute mit interaktiven Tafeln ausgestattet.
Ja, sicher, aber insbesondere audiovisuelle Medien tauchen in vielen Lehrsituationen gar nicht auf. Dabei bergen sie enorme Chancen für die Lern- und Unterrichtsentwicklung. Außerdem meinen wir, dass teamorientierter gearbeitet werden und eine neue Kooperationskultur entstehen kann. Das darf man den Jugendlichen nicht vorenthalten.
Müssen Kinder und Jugendliche denn Medien genauso lernen wie Mathe?
Nein. Und sie müssen auch nicht in der Schule lernen, wie ein Soziales Netzwerk funktioniert. Aber wenn wir fragen: „Was solltest du dort denn nicht tun?“, kennen viele die Risiken nicht. Das lernen sie oft nicht zu Hause.
Ein Bericht der Enquetekommission des Bundestags kommt zu dem Ergebnis, dass auch Studenten, Lehrern und Hochschuldozenten grundlegendes Wissen fehlt. Müssen wir alle Medien lernen, vom Kleinkind bis zum Senior?
Grundsätzlich ja, aber jede Gruppe lernt etwas anderes. Je nach Alter sind die Themen andere. Senioren etwa sollten zumindest lernen, die Welt des Internets zu verstehen, und wissen, was da los ist. Sonst verlieren sie den Anschluss. Es ist aber auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe. Heute gibt es Dinge – Stichwort E-Government –, die man nur noch im Netz erledigen kann. Es muss allen ermöglicht werden, zumindest eine „Grundbildung Medien“ zu bekommen. Und das gilt besonders für pädagogische Fachkräfte. Eine Mediengrundbildung für sie erscheint mir unerlässlich.
Sie meinen alle? Vom Erzieher bis zum Hochschullehrer?
Genau, sie müssen ihre jeweilige Zielgruppe verstehen können. Welche Medien nutzen sie? Warum spielen sie Computerspiele? Wenn Pädagogen Jugendlichen mit der Haltung gegenübertreten, dass Handys und Facebook blöd sind, können sie mit ihnen auch nicht pädagogisch arbeiten.
Eine vielleicht noch wichtigere Zielgruppe der Medienbildung sind Eltern. Die sind jedoch unglaublich schlecht zu erreichen.
Ja, es ist nicht leicht. Wie bei den Elternabenden in der Schule kommen meist nur Eltern, die eigentlich schon alles „richtig“ machen und nicht die, die man erreichen will. Die Medienbildungsanbieter müssen da fantasievoll und gut vernetzt sein. Eltern spricht man am besten an über Institutionen, zu denen sie aus irgendeinem Grund sowieso hingehen müssen.
Gibt es noch andere Gruppen, die besser gefördert werden müssten?
Natürlich die sogenannten Bildungsbenachteiligten. Allerdings ist die Situation hier ein wenig paradox: Es hat sich gezeigt, dass man gerade diese Zielgruppe über medienpraktische Zugänge sehr gut erreichen und motivieren kann. Sie lernen bei den Projekten – zum Beispiel als „Kinderreporter“ – ihre Stärken und Ressourcen kennen. Sie werden selbstbewusster und zum Weiterlernen ermutigt.
Aber geht es primär wirklich darum, mit Jugendlichen medienpraktisch zu arbeiten? Das machen die doch sowieso jeden Tag.
Das Ziel von medienpädagogischen Produktionen ist ja nicht, einen schicken Film zu produzieren und ins Netz zu stellen. Es geht vielmehr darum, dass die Kinder gemeinsam arbeiten und ihre Ausdrucks- und Reflexionsfähigkeit entwickeln. Das motiviert und stärkt sie in der Medienwelt.
Von diesen medienpraktischen Projekten gibt es in Deutschland viele, aber vernetzt sind sie kaum. Wie sollte man die Medienbildung institutionalisieren?
Ganz wichtig scheint mir, dass es eine Bund-Länder-Initiative gibt, in der man gemeinsam Konzepte koordiniert und die Handelnden besser vernetzt. Dazu gehört auch, dass man die vielen Angebote sichtbar macht. Nur so können wir besser herausfiltern, wo Handlungsbedarf ist.
Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person
Katja Friedrich ist eine der Sprecherinnen der Kampagne „Keine Bildung ohne Medien“. Hauptberuflich leitet sie als Geschäftsführerin die Lernwerkstatt „medien+bildung.com“ in Rheinland-Pfalz.
Dieses Interview ist in der scout-Ausgabe 3_2012 erschienen.