Aber bitte im Kino
Wie wird Medienkompetenz am besten vermittelt? Kaum jemand in Norddeutschland kann darauf eine so differenzierte Antwort geben wie Uli Tondorf. Das Scout-Magazin fragte ihn deshalb nach seinen fünf besten Ideen.
Der Mann mit dem Pferdeschwanz ist in ganz Norddeutschland unterwegs und bekannt dafür, Medienkompetenz mit Spaß zu vermitteln: „Ich unterrichte Lehrkräfte und Studenten in Medienkompetenz“, erklärt der sympathische Rheinländer, der heute in Kiel lebt. Aber nicht nur das, auch mit Jugendlichen arbeitet Uli Tondorf regelmäßig und besonders gerne. Der Grund: „Bei jedem Projekt bringen die Jugendlichen mir wieder mehr über Medienkompetenz bei“, erklärt er. Medienpädagogik auf Augenhöhe, das ist es, was Uli Tondorf antreibt.
Leidenschaft für Medien und Menschen
Seine Projekte sind so vielseitig wie seine Hobbys. Er hört gern Musik. „Von Jazz bis Elektro und Hard Rock, aber am liebsten von CD, nicht mp3.“ Er schaut gern Filme. „Aber bitte im Kino!“ Und er spricht gern mit Freunden über die Bücher, die er konsequent im traditionellen Buchhandel kauft, auch wenn er vorher online auf Amazon recherchiert. Kurz: Uli Tondorf liebt Medien und Menschen. Und da der Pädagoge sich mit beiden ziemlich gut auskennt, hat scout ihn gebeten, seine fünf besten Medienkompetenz-Tipps preiszugeben. Hier seine Auswahl.
Uli Tondorf (42) ist Diplom Sozialpädagoge und hat Lehraufträge an der Uni Flensburg und der FH Flensburg. Er ist Medienkompetenz-Experte der Fachstelle für Prävention Aktion Kinder- und Jugendschutz Schleswig-Holstein e.V. Außerden ist er Projektbetreuer der Flensburger Kurzfilmtage und der Schulkinowochen SH.
1 Im Film erleben, wie es anderen geht, und mitfühlen
In der Vermittlung von Medienkompetenz setzt Uli Tondorf immer wieder auf das Kino. „Filme wecken einfach Emotionen“, fasst der 42-Jährige zusammen. „Ich zeige in der Mobbing-Prävention Filme, in denen aus der Rolle der Opfer berichtet wird.“ Denn mit den verfilmten Geschichten fällt es Kindern und
Jugendlichen leichter, sich in einen anderen hineinzuversetzen. Deshalb bringt er auch Lehramtstudenten bei, Filme für den Unterricht zu nutzen.
2 Konfliktlösung hängt nicht von Technik ab
Wer Sozial- und Sprachkompetenz hat, kann auch digital besser kommunizieren. „Ich muss nicht wissen, wo ich klicken muss, um in einer digitalen Konfliktsituation trotzdem helfen zu können“, so der Pädagoge. Auch wenig technikaffine Erwachsenen können Sozialkompetenz vermitteln und Rat geben, wie man sich in einer bestimmten Situation verhält. Erwachsene und Lehrer sollten sich adäquat einmischen und den Druck aus digitalen Konflikten nehmen.
3 Die Gruppe macht den Unterschied
Was Jugendliche digital erleben, hat neue Qualitäten, ist aber nicht die Neuerfindung der Welt. Wenn Mobbing durch die digitalen Medien verstärkt wird, „ist die Sozialkompetenz der Gruppe gefragt“, so Tondorf. In der Auseinandersetzung mit der Situation könnten Pädagogen Normen und Werte stärken. Uli Tondorf macht seinen Kollegen Mut: „Bringen Sie Ihre Regeln aus dem Klassenzimmer ein und verlängern Sie diese Regeln in die Online-Welt. Wie etwa: Wir lassen uns aussprechen, wir beleidigen uns nicht, wir respektieren uns.“
4 Jugendschutz kann Spaß machen
Um Jugendlichen das sichere Netz schmackhaft zu machen, setzt Uli Tondorf auf Projekte, in denen die Jugendlichen einbezogen werden. Ältere Schüler zeigen jüngeren, was sicher ist und Spaß bringt. „Die Älteren fühlen sich als Experten, und die Jüngeren können das gut annehmen, weil sie es mit glaubhaften Vermittlern zu tun haben. Im besten Fall entsteht zwischen den Gruppen eine Dynamik, eine Art Flow“, beschreibt Uli Tondorf begeistert.
5 Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Medienkompetenz
Medienkonsum kann zu Problemen führen und Risiken beinhalten. Uli Tondorf bringt Lehrkräften Methoden bei, mit denen Kinder und Jugendliche ihren Medienkonsum reflektieren. In der gemeinsamen Diskussion merken alle, wie sie sich nach welchem Medienkonsum fühlen, und können die Nutzung darauf aussteuern. „Erwachsene und Pädagogen sollten bedenken, dass das für die eigene Mediennutzung genauso gilt“, sagt Uli Tondorf. Die Selbsteinschätzung sei oft zu positiv. Seine Erkenntnis: „Wir sind nicht besser, und wir wissen auch nicht alles besser als unsere Schüler.“
Uli Tondorfs Extra-Tipp: Erste Hilfe bei Mobbing
Jeder Fall ist anders und sollte von Beratungslehrkräften oder Mobbing-Interventionskräften begleitet werden. Grundsätzlich empfiehlt Uli Tondorf aber:
- Ziehen Sie den Fall in die Offline-Welt und suchen Sie sich Hilfe im nahen Umfeld.
- Online bietet www.juuuport.de für Jugendliche eine zusätzliche Anlaufstelle.
- Eltern bekommen Hilfe bei der „Nummer gegen Kummer für Eltern“ unter der anonymen kostenlosen Telefonnummer 0800 111 0550 montags bis freitags von 9-11 Uhr und dienstags bis donnerstags von 17 bis 19 Uhr.
Skandalisierung oder Verteufeln der Medien hilft nicht. Hilfreich ist eine gezielte Veränderung der Situation der Gruppe. Aber: „Selbstverständlich ist das Opfer nicht in der Verantwortung, so eine Veränderung herbeizuführen, das müssen die machen, die auf die Gruppe einwirken können“, bestärkt Uli Tondorf. Und er macht Mut: „Pädagoginnen und Pädagogen können in verschiedenen einfachen Fortbildungen unterschiedliche Interventionsmethoden lernen, dies ist kein Hexenwerk, schafft aber Sicherheit.“ Und als letzten Tipp erinnert er: „Präventionsmaßnahmen senken das Risiko.“ Infos dazu unter http://akjs-sh.de/.